Berlin (Reuters) – Die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP verschafft sich mit ungenutzten Krediten in Höhe von 60 Milliarden Euro ein Milliardenpolster für künftige Investitionen.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte am Freitag an, mit einem Nachtragshaushalt würden unverbrauchte Kreditermächtigungen in dieser Höhe auf den bisherigen Energie- und Klimafonds (EKF) übertragen. “Der zweite Nachtragshaushalt ist ein Booster für die Volkswirtschaft”, sagte Lindner in Berlin. Die vom Bundestag für 2021 bewilligte Neuverschuldung von bis zu 240 Milliarden Euro werde nicht überschritten. “Es wird also keine zusätzliche Verschuldung geben.” Dennoch muss der Bundestag mit Kanzlermehrheit den Beschluss zur Aussetzung der Schuldenbremse für 2021 erneuern, wie aus der Kabinettsvorlage hervorgeht.
In dem Reuters vorliegenden Beschlussentwurf von Lindner für die Kabinettssitzung am Montag heißt es, die für 2021 geplante Nettoneuverschuldung bleibe mit 240,2 Milliarden Euro unverändert. Insgesamt werde 2021 die laut Grundgesetz zulässige Kreditobergrenze um rund 207 Milliarden Euro überschritten.
Mit den 60 Milliarden Euro für den EKF, der künftig Klima- und Transformationsfonds (KTF) heißen soll, verschafft sich die Ampel-Koalition eine zusätzliche Rücklage etwa für Investitionen in den Klimaschutz und in die Transformation für ein klimaneutrales Wirtschaften. Dieser haushaltspolitische Kniff wird dadurch möglich, dass sich die vorherige Regierung vom Bundestag aufgrund der Corona-Pandemie weitaus mehr Schulden genehmigen ließ, als nun tatsächlich benötigt werden.
Das Volumen, das an den EKF übertragen wird, bleibt aber bei 60 Milliarden Euro gedeckelt. “Sollten sich darüber hinaus weitere Entlastungen im Haushaltsvollzug 2021 ergeben, werden diese die tatsächliche Nettokreditaufnahme entsprechend verringern”, heißt es in der Kabinettsvorlage. Die erneut steigende Corona-Infektionsdynamik und die Unsicherheiten über die neue aufgetretene Virus-Variante stellten ein hohes Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung dar.
REGIERUNG – FINANZPOLSTER MIT SCHULDENREGEL KONFORM
“Wir sind der Auffassung, das ist mit der Schuldenregel vereinbar”, hieß es in Regierungskreisen mit Blick auf die Übertragung der Kreditermächtigungen auf den Fonds. Rein technisch sei man denselben Weg mit einem Zuschuss an den EKF 2020 schon einmal gegangen. Seinerzeit habe es aus der damaligen Regierungspartei Union keine Kritik daran gegeben, hieß es mit Blick auf nun laut gewordene Kritik an dem Verfahren. “Das ist relativ unspektakulär in der Umsetzung.”
Lindner bekräftigte, dass die Bundesregierung ab 2023 die Schuldenbremse im Bundeshaushalt wieder einhalten werde. Zum Jahr 2022 äußerte er sich nicht. Für das kommende Jahr muss die neue Koalition erst noch einen Haushalt aufstellen. Die Vorgängerregierung mit dem damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte mit einer Neuverschuldung von rund 100 Milliarden Euro geplant. Lindner verwies darauf, dass weitere Unterstützungsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie erforderlich sein würden, etwa Hilfen für die Wirtschaft und zusätzliche Ausgaben im Gesundheitssystem: “Also, wir können finanzpolitisch noch nicht das Normalprogramm fahren.”