Ampel-Regierung beschließt 60-Milliarden-Polster für Klimainvestitionen

– von Christian Krämer und Holger Hansen

Berlin (Reuters) – Die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP schafft sich ein riesiges Polster für Klimainvestitionen in den kommenden Jahren.

Mit einem weiteren Nachtragshaushalt für 2021 werden ungenutzte Kredite über 60 Milliarden Euro im Klimafonds geparkt, wie das Bundesfinanzministerium am Montag mitteilte. Das Kabinett brachte in seiner zweiten Sitzung unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine entsprechende Vorlage von Finanzminister Christian Lindner auf den Weg. “Es werden keine neuen Schulden aufgenommen”, sagte der FDP-Politiker in Berlin. Der Schritt sei notwendig und verhältnismäßig, um eine Vorsorge für Investitionen zu treffen, die in der Corona-Krise vielfach zu kurz gekommen seien. Der Bundestag muss den Plänen in den nächsten Wochen noch zustimmen, vermutlich bis Ende Januar.

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) sprach von einem Marathonlauf, die Wirtschaft Richtung Klimaneutralität umzubauen. “Mit den jetzt im Nachtragshaushalt beschlossenen 60 Milliarden Euro starten wir die nächste Etappe.” Die Mittel stünden dann in den nächsten Jahren zur Verfügung. “Natürlich steht der Umbau der Industrie im Fokus”, ergänzte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.

Der neue Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, der Nachtragshaushalt sei verfassungskonform. Von manchen Experten wird der Haushaltskniff als rechtlich fragwürdig eingestuft. Er wird überhaupt nur möglich, weil die für 2021 geplante Rekord-Neuverschuldung von bis zu 240 Milliarden Euro bei weitem nicht benötigt wird, um Kosten der Corona-Krise zu decken. Mit den zusätzlichen Milliarden für den Energie- und Klimafonds (EKF), der künftig Klima- und Transformationsfonds (KTF) heißen soll, verschafft sich die Ampel-Koalition eine zusätzliche Rücklage für Investitionen, deren Finanzierung in den Koalitionsverhandlungen weitgehend offengeblieben war.

SÖDER: “SCHATTENHAUSHALTE SIND GRUND ZUR SORGE”

Lindner sagte, der Nachtragshaushalt sei ein “Signal unserer Handlungsfähigkeit” und “Ausdruck von Gestaltungswillen”. Es sei auch solides Wirtschaften. Man bewege sich im Rahmen dessen, was der Bundestag bereits beschlossen habe. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte die Ampel-Koalition dagegen auf, die solide deutsche Finanzpolitik nicht aufzugeben: “Schattenhaushalte sind Grund zur Sorge.” Der CSU-Finanzpolitiker Sebastian Brehm sprach von einer zutiefst unseriösen Haushaltspolitik. “Die Tricks von Lindner und Scholz gefährden die Gestaltungsmöglichkeiten der Zukunft.”

Zur Begründung zieht die Koalition die Corona-Pandemie heran. Viele Investitionen seien als Folge der Pandemie gar nicht oder nicht im geplanten Umfang getätigt worden, heißt es in der Reuters vorliegenden Kabinettsvorlage. Lindner sagte, ein Bestandteil werde sein, den Weg in die Wasserstoff-Wirtschaft zu ebnen. Ein weiterer Bereich werde sein, bei den Stromkosten mehr Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Mit der jetzigen Zuweisung werde der Klimafonds mit 76,2 Milliarden Euro gefüllt sein. Weitere Zuführungen werde es in den nächsten Jahren über die normale Haushaltsführung geben.

“Öffentliche Investitionen schaffen nachhaltiges Wachstum, sie reizen private Investitionen an und stabilisieren so die Volkswirtschaft”, sagte der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler. Schon 2020 habe der Bundestag eine Aufstockung des Klimafonds beschlossen, das Vorgehen sei also nicht neu. “Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen klaren Auftrag für umfassenden Klimaschutz gegeben. Diesen Auftrag nehmen wir sehr ernst und berücksichtigen ihn auch bei der Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise.” Die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch sagte, Mittel zur Bekämpfung der Pandemie würden jetzt zweckentfremdet. “Das ist kein seriöser Start für einen Bundesfinanzminister.” Die FDP habe als Opposition ein solches Vorgehen der alten Regierung als verfassungswidrig gebrandmarkt.

Die für 2021 geplante Nettoneuverschuldung soll laut Kabinettsvorlage mit 240,2 Milliarden Euro unverändert bleiben. Dennoch müsse der Bundestag den Beschluss zur Aussetzung der Schuldenbremse für 2021 erneuern. Insgesamt werde 2021 die zulässige Kreditobergrenze um rund 207 Milliarden Euro überschritten. Lindner äußerte allerdings die Hoffnung, dass die 240 Milliarden Euro am Ende nicht ganz ausgereizt werden würden.

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