Berlin (Reuters) – Die Verkaufspreise im deutschen Großhandel sind im November wegen teurer Rohstoffe und Vorprodukte im Rekordtempo gestiegen.
Sie lagen um 16,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Das ist der kräftigste Anstieg seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1962. Damit beschleunigte sich der Preisauftrieb erneut deutlich: Im Oktober hatte die Teuerungsrate noch bei 15,2 und im September bei 13,2 Prozent gelegen.
Einen deutlich nachlassenden Inflationsdruck erwartet der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) erst in einigen Monaten. “Die Verkaufspreise im Großhandel spiegeln die deutlich steigenden Einkaufspreise”, sagte dessen Präsident Dirk Jandura. Die Großhändler versuchten, dies durch innerbetriebliche Optimierungen und neue Wege der Beschaffung aufzufangen. Allerdings gelinge dies wegen massiv steigender Rohstoff- und Energiepreise bei zunehmenden Logistikkosten und anhaltenden Lieferengpässen nur bedingt. “Wir erwarten daher, dass der Preisdruck wieder Mitte des nächsten Jahres nachlässt”, sagte Jandura. “Voraussetzung dafür ist aber, dass die Risiken, auch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, beherrschbar bleiben.”
“PREISE EXPLODIEREN”
Die Entwicklung gilt als Indikator für zukünftige Inflationstendenzen, da der Großhandel das Scharnier zwischen Herstellern und Endkunden darstellt. Die Inflationsrate liegt aktuell mit 5,2 Prozent so hoch wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Die Wirtschaftsweisen erwarten in ihrem Jahresgutachten für die Bundesregierung für das zu Ende gehende Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate von 3,1 Prozent. Sie soll 2022 auf 2,6 Prozent fallen. Aus der Politik werden Forderungen an die Europäische Zentralbank (EZB) laut, angesichts der starken Teuerung gegenzusteuern. “Großhandelspreise explodieren”, twitterte der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, ein Parteifreund es neuen Bundesfinanzministers Christian Lindner von der FDP. “Die EZB muss endlich eine Kurskorrektur ihrer lockeren Geldpolitik einleiten.”
WAS MACHT DIE EZB?
Angesichts rasch steigender Preise könnten die Währungshüter die mit Ausbruch der Corona-Pandemie eingeleitete große Geldflut allmählich eindämmen. Für die Zinssitzung an diesem Donnerstag ist ein Beschluss des EZB-Rats zu erwarten, das als Kriseninstrument geschaffene Anleihenprogramm namens PEPP nach gut zwei Jahren ab April 2022 abzuschalten. Diese Liquiditätsschleuder mit einem Gesamtumfang von 1,85 Billionen Euro hat Wirtschaft und Finanzmärkte nach dem beispiellosen Pandemieschock über Wasser gehalten.
Zu den stärksten Preistreibern im Großhandel zählten im November einmal mehr die Mineralölerzeugnisse. Sie kosteten durchschnittlich 62,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Altmaterialien und Reststoffe verteuerten sich gar um 77,4 Prozent, Erze, Metalle und Vorprodukte aus Metall um 60,3 Prozent. Erheblich gestiegen sind auch die Preise für Roh- und Schnittholz (plus 41,1 Prozent) sowie für Getreide, Rohtabak, Saatgut und Futtermittel (plus 30,3 Prozent).
Wegen der raschen Erholung der Weltkonjunktur von der Corona-Rezession steigen derzeit die Preise für viele Produkte rasant. Besonders die weltgrößten Volkswirtschaften USA und China wachsen in diesem Jahr recht stark, zumal dort große Konjunkturprogramme aufgelegt wurden. Dadurch kommt es zu globalen Engpässen, die zu steigenden Preisen führen. Hinzu kommen gestörte Lieferketten, etwa durch Corona-Ausbrüche in China, wo die Behörden wegen eines einzigen entdeckten Falls schon mal ganze Fabriken und Häfen schließen.