– von Thomas Escritt
Berlin (Reuters) – Das Urteil im sogenannten Tiergartenmord belastet die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Russland und Deutschland weiter.
Ein Berliner Gericht verurteilte am Mittwoch den Russen Wadim Krasikow wegen Mordes an einem Georgier zu lebenslanger Haft und sah es als erwiesen an, dass die russische Regierung hinter der Tat steckt. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bestellte den russischen Botschafter ein und erklärte zwei Mitarbeiter der Botschaft in Berlin zu unerwünschten Personen. Das Außenministerium in Moskau sprach in einer ersten Reaktion von einem “unfreundlichen Akt” und kündigte laut russischer Nachrichtenagentur Interfax Vergeltungsmaßnahmen an.
“Dieser Mord in staatlichem Auftrag … stellt eine schwerwiegende Verletzung deutschen Rechts und der Souveränität der Bundesrepublik Deutschlands dar”, sagte Baerbock. Es sei klar, dass solche Vorgänge die bilateralen Beziehungen “schwer belasten”. Die Grünen-Politikerin verwies auf ihr Telefonat mit dem russischen Außenminister Serej Lawrow vom Dienstag, in dem sie gesagt habe, dass Deutschland “einen offenen und ehrlichen Austausch mit Russland” in beiderseitigem Interesse wolle und brauche. Dies müsse aber auf dem Boden des Völkerrechts und des gegenseitigen Respekts geschehen.
Ohnehin sind die Beziehungen zu Moskau vor allem wegen der Ukraine-Krise derzeit äußerst angespannt. Der russische Botschafter Sergej Netschajew erklärte über Twitter: “Die absurde Behauptung, Russland sei am Mord an Changoschwili beteiligt gewesen, wurde der Öffentlichkeit kontinuierlich oktroyiert und in den allgemeinen antirussischen Kontext eingeflochten, ohne mit tragbaren Beweisen untermauert worden zu sein.”
“ES SOLLTE EIN ZEICHEN GESETZT WERDEN”
Dem Urteil zufolge hatte Krasikow im August 2019 Tornike Changoschwili mitten im Kleinen Tiergarten in Berlin am helllichten Tag erschossen. “Spätestens im Juni 2019 fassten staatliche Stellen der Zentralregierung der russischen Föderation den Entschluss, Tornike Changoschwili in Berlin zu liquidieren”, sagte Richter Olaf Arnoldi. “Das war und ist nichts anders als Staatsterrorismus”, betonte der Vorsitzende Richter des Berliner Kammergerichts. “Es sollte ein Zeichen gesetzt werden. Vor diesem Hintergrund scheute der Angeklagte auch nicht davor zurück, die Tat mitten am Tag in einem belebten Park im Zentrum Berlins zu begehen.”
Ein Anwalt des Verurteilten kündigte an, innerhalb einer Woche Berufung einzulegen. Die Vorwürfe gegen seinen Mandanten hätten keine Grundlage und basierten auf Vermutungen. Krasikow behauptet, er heiße Wadim Sokolow und sei Bauingenieur aus St. Petersburg. Changoschwili, Georgier mit tschetschenischer Abstammung, war von russischen Behörden als Terrorist eingestuft worden. Er soll im Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft haben. Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete ihn 2019 als “verdammten Terroristen” und beschuldigte ihn mehrerer Verbrechen, darunter ein Bombenanschlag auf die Moskauer U-Bahn im Jahr 2004, bei dem zehn Menschen starben.
Richter Arnoldi sagte, an der Identität Krasikows gebe es keinen Zweifel. Die ukrainischen Behörden hätten Fotos von seiner Hochzeit mit seiner ukrainischen Frau zur Verfügung gestellt, mit denen zweifelsfrei zu beweisen sei, dass er ein Agent des russischen Sicherheitsdienstes FSB sei.
Einige Tage vor dem Mord war Krasikow nach Kenntnisstand des Berliner Gerichts mit einem falschen Pass und Tausenden Euro Bargeld nach Paris geflogen und von dort nach Berlin gereist. Er habe Changoschwili vom Fahrrad aus erschossen, sich danach hinter einem Busch versteckt, seine Kleidung gewechselt, um als Tourist angesehen zu werden, und das Fahrrad in den Fluss geworfen. Nur die Anwesenheit von Zeugen habe seinen Plan vereitelt. Innerhalb von Minuten hätten bewaffnete Polizisten Krasikow umzingelt.