Einzelhandel rechnet 2022 mit stärkerem Einnahmeplus

Berlin (Reuters) – Der deutsche Einzelhandel rechnet in diesem Jahr angesichts vermutlich schrittweise wegfallender Belastungen durch die Coronavirus-Pandemie mit schneller steigenden Einnahmen.

Allerdings dürften die höheren Erlöse am Ende vielfach nicht bei den Firmen hängenbleiben – die starke Inflation werde preisbereinigt zu Stagnation führen, teilte der Branchenverband HDE am Dienstag in Berlin mit. Während der Online-Handel weiter boomt, kämpft der klassische Einzelhandel vielfach mit massiven Problemen. Verlierer sind unter anderem Textilhändler sowie meist kleinere Geschäfte abseits der Metropolen.

Nominal wird der Umsatz im Einzelhandel 2022 vermutlich um drei Prozent auf 605,4 Milliarden Euro klettern, schätzte der HDE. “Obwohl die Umsätze in der Gesamtbilanz wachsen werden, gibt es klare Verlierer”, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Für den Online-Handel wird ein Wachstum von 13,5 Prozent erwartet, der klassische Einzelhandel dürfte dagegen nur um 1,2 Prozent zulegen. 2021 waren die Unterschiede noch deutlicher. Hier legte der Online-Handel um gut 19 Prozent zu, während der klassische Einzelhandel um 0,7 Prozent schrumpfte. Insgesamt stand unter dem Strich 2021 ein Plus von 1,8 Prozent. Die Erlöse summierten sich auf 587,8 Milliarden Euro.

Der HDE fürchtet, dass auch bei nachlassenden Corona-Belastungen dieses Jahr rund 16.000 Geschäfte – Standorte, nicht Unternehmen – wegfallen dürften. Gegenüber 2015 wären es dann rund 60.000 weniger. “Viele kleine Händler sterben leise”, sagte Genth. Sie wickelten ihre Läden oft einfach ab, ohne Insolvenz anzumelden und so in der Statistik aufzutauchen.

Genth forderte, die Zugangshürden zu den staatlichen Corona-Überbrückungshilfen abzusenken. Bislang müssen Unternehmen einen Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent wegen der Pandemie nachweisen, um Zuschüsse zu bekommen. So komme Hilfe in vielen Fällen zu spät. Der neue Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte zuletzt angekündigt, die Corona-Hilfen bei Bedarf über Ende März hinaus zu verlängern. Arbeitsminister Hubertus Heil will den vereinfachten Zugang zur Kurzarbeit länger gewähren. Vor allem Veranstalter und Gastronomen seien darauf angewiesen. “Deshalb verlängern wir diese beschäftigungssichernde Brücke weiter bis zum 30. Juni 2022 und geben den Unternehmen und Beschäftigten somit Planungssicherheit”, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

MIESES WEIHNACHTSGESCHÄFT

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes legten die Einzelhandelsumsätze 2021 real – also preisbereinigt – nur um 0,7 Prozent zu. Magerer war das Plus zuletzt 2013 mit 0,1 Prozent. Schlecht lief es für die Händler im Dezember, also mitten im besonders wichtigen Weihnachtsgeschäft: Hier brachen die Einnahmen real um 5,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat ein. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Minus von 1,4 Prozent gerechnet. “Das zum Jahresende übliche Feuerwerk ist beim Konsum klar nach hinten losgegangen”, sagte der Chefökonom der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, Alexander Krüger. Die neu eingeführten Corona-Beschränkungen wegen der Omikron-Variante hätten einen großen Anteil daran.

In weiten Teilen Deutschlands dürfen Ungeimpfte derzeit nicht in Einzelhandelsgeschäfte. “Diese im Kampf gegen die Pandemie nutzlose Maßnahme muss endlich bundesweit fallen”, forderte Genth. Der Einkauf mit Maske, Abstand und Hygienemaßnahmen sei sicher.

Der HDE betonte zudem, die steigenden Preise seien ein erhebliches Risiko. Sie lagen in Deutschland im Januar 4,9 Prozent über dem Niveau vor Jahresfrist. Im Dezember betrug die Inflation noch 5,3 Prozent – das höchste Niveau seit 1992.

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