London (Reuters) – Die Notenbank in London hat angesichts der hochschießenden Inflation nur wenige Wochen nach der Zinswende ihre Geldpolitik erneut gestrafft.
Die Währungshüter um Notenbankchef Andrew Bailey hoben am Donnerstag wie von Volkswirten erwartet den geldpolitischen Schlüsselzins um einen Viertel Prozentpunkt auf 0,5 Prozent an. Die Notenbank deutete zudem mögliche weitere Schritte an und warnte, dass die Inflation bald über die Marke von sieben Prozent hinausschießen könnte. Die Bank of England hatte im Dezember als erste der großen Zentralbanken seit Beginn der Pandemie den Zins angehoben – und zwar von 0,1 auf 0,25 Prozent.
Der Kurs des Pfund reagierte umgehend und stieg auf 1,3625 Dollar von 1,3567 Dollar. “Die Omikron-Welle hat die Bank of England nicht beeindruckt”, kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Hauck Aufhäuser Lampe die Beschlüsse. Angesichts des hohen Inflationsdrucks könne die nächste Zinsanhebung bereits im März folgen. “Die Bank von England zaudert nicht”, kommentierte auch sein Kollege Thomas Gitzel von der VP Bank. “Die britischen Währungshüter machen bei ihrem geldpolitischen Richtungswechsel Tempo und rammen heute dicke Pflöcke ein.”
Vier der neun Währungshüter sprachen sich auf der Sitzung sogar für eine stärkere Zinsanhebung auf 0,75 Prozent aus. Die Mehrheit, darunter Notenbankchef Bailey, hielt eine Anhebung auf 0,5 Prozent jedoch für ausreichend. Eine weitere Straffung der Geldpolitik in den kommenden Monaten sei wahrscheinlich angemessen, erklärte Bailey. “Aber es wäre ein Fehler, aus dem was wir heute getan haben, einfach zu folgern und davon auszugehen, dass sich die Zinsen nun auf einem unvermeidbar langen Marsch nach oben befinden”, sagte der Notenbankchef.
Die Währungshüter reagieren mit ihrem Schritt auf den rasanten Preisanstieg auf der Insel: Die Inflationsrate war im Dezember auf 5,4 Prozent gestiegen, den höchsten Stand seit fast drei Jahrzehnten. Die Bank von England rechnet nun damit, dass die Inflation im April mit einer Rate von rund 7,25 Prozent den Höhepunkt erreichen wird. Das liegt deutlich über der Zielmarke der Notenbank von 2,0 Prozent.
KAUFPROGRAMM WIRD AUSGEMUSTERT
Die Währungshüter kündigten zudem an, dass sie damit beginnen werden, ihr 895 Milliarden Pfund schweres Anleihenkaufprogramm abzuschmelzen. Unter anderem sollen auslaufende Staatsanleihen nicht mehr ersetzt werden. Wenn die Zinsen ein Prozent erreichen, soll auch ein aktiver Verkauf der Papiere geprüft werden.
Nach Einschätzung von Ökonomen kann die Wirtschaft höhere Zinsen auch deshalb verkraften, weil sie bereits im November ihr Niveau von vor der Corona-Krise übertroffen hat. Zudem zeigte sich der Arbeitsmarkt zuletzt trotz der Omikron-Welle sehr robust, was für die Währungshüter ein wichtiger Bestimmungsfaktor für ihre Geldpolitik ist. Im Dezember stellten britische Firmen 184.000 Mitarbeiter ein und sorgten so für einen Rekord.
Bailey räumte allerdings ein, dass angesichts des Energiepreisanstiegs der Druck auf die Haushalte zunehme. Die britische Regierung kündigte unterdessen am Donnerstag an, wegen der stark gestiegenen Energiepreise den Bürgern mit einem Milliarden-Programm unter die Arme zu greifen. Unter anderem sind Entlastungen bei der Stromrechnung geplant.
Angesichts einer hohen Inflation stehen auch in den USA inzwischen die Zeichen auf eine baldige Zinsanhebung. Notenbankchef Jerome Powell hat bereits einen Schritt für März angedeutet und die Börsen auf mögliche weitere Zinserhöhungen vorbereitet. Aktuell liegt in den USA der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld noch in der Spanne von null bis 0,25 Prozent. Die Inflation war im Dezember auf 7,0 Prozent geklettert, das ist der stärkste Anstieg der Verbraucherpreise seit Anfang der 1980er Jahre.
Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) ist eine Zinswende dagegen vorerst nicht in Sicht. Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde hielten am Donnerstag auf ihrer Zinssitzung trotz einer hochschießenden Teuerungsrate ihre Füße still. Doch auch für die EZB wird der Druck größer. Denn die Inflationsrate liegt in der Ländergemeinschaft mit inzwischen 5,1 Prozent im Januar weit mehr als doppelt so hoch wie die Zielmarke der EZB.