– von Andreas Rinke und Pavel Polityuk und Michel Rose
Berlin/Kiew (Reuters) – Deutschland, Frankreich und Polen wollen in der Ukraine-Krise gemeinsam einen Krieg verhindern.
Dies sei oberstes Ziel aller diplomatischer Anstrengungen, sagten Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Dienstagabend übereinstimmend vor einem Treffen mit Polens Präsident Andrzej Duda in Berlin. Scholz wies darauf hin, dass dies das erste Treffen des sogenannten Weimarer-Dreiecks auf Chefebene seit elf Jahren sei. Macron forderte einen Sicherheitsdialog mit Russland, bei dem die Europäer aber ihre Prinzipien wie die Unverletzbarkeit der Grenzen verteidigen müssten.
Das Treffen gehört zu der derzeit auf Hochtouren laufenden Krisendiplomatie. Macron hatte am Montag und Dienstag Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin und dessen ukrainischem Kollegen Wolodymyr Selenskyj geführt. Macron hatte dabei in Kiew gesagt, er rechne damit, dass die Ukraine-Krise nach dem russischen Truppenaufmarsch noch monatelang anhalten werde. Scholz war erst am Dienstag von seinem Antrittsbesuch bei US-Präsident Joe Biden zurückgekehrt.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und auch Macron erklärten am Dienstag, es habe keine russischen Zusagen für ein Ende von Manöver an der ukrainischen Grenze gegeben. Russland schickte zugleich sechs Kriegsschiffe aus dem Mittelmeer in das Schwarze Meer. Russland hat an der Ost-Grenze der Ukraine mehr als 100.000 Soldaten stationiert. Den Vorwurf des Westens, eine Invasion vorzubereiten, weist die Regierung in Moskau zurück. Stattdessen verlangt Russland von den USA und der Nato Sicherheitsgarantien wie etwa die Zusage, dass die Ukraine dem Militärbündnis nicht beitreten wird. Die Allianz lehnt dies ab.
Putin habe ihm gesagt, er werde nicht derjenige sein, der hinter einer Eskalation der Spannungen stehe, betonte Macron während seiner Ukraine-Visite. Sowohl Russland als auch die Ukraine hätten sich zu dem Minsker Friedensabkommen für die Ostukraine von 2014 bekannt. Selenskyj sagte seinerseits, sein Land erwarte von Russland konkrete Schritte, die zeigten, dass eine Deeskalation ernst gemeint sei. “Ich vertraue nicht wirklich auf Worte. Ich glaube, dass jeder Politiker transparent sein kann, indem er konkrete Schritte unternimmt”, fügte er hinzu.
Nach französischen Insider-Angaben waren Putin und Macron übereingekommen, die diplomatischen Bemühungen im sogenannten Normandie-Format zu intensivieren. Auch US-Präsident Joe Biden hatte beim Antrittsbesuch von Kanzler Scholz im Weißen Haus am Montag die Bedeutung des Gesprächsformats betont. Die Normandie-Runden sind das einzige Gremium, in dem Russen und Ukrainer direkt miteinander reden. Deutschland und Frankreich nehmen dabei eine vermittelnde Rolle ein.
MACRON VERHANDELT IM OSTEN, SCHOLZ IM WESTEN
Die Visiten des französischen Präsidenten dienten auch der Vorbereitung eines Besuchs von Scholz in der Ukraine und dann in Russland Anfang kommender Woche. Ziel sei es, dass der Westen Putin die klare, einheitliche Botschaft übermittele, dass ein Angriff auf die Ukraine einen hohen Preis fordern werde, hatte Scholz bei seinen Abstimmungen in Washington betont. Der Kanzler verwies am Dienstagabend darauf, dass Frankreich, Polen und Deutschland sich schon deshalb eng abstimmen wollten, weil sie derzeit die Präsidentschaften bei der EU, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den G7-Staaten inne hätten.
US-Präsident Biden hatte unterstrichen, dass im Falle einer russischen Invasion das Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 tot sei. Der Kanzler erwähnte Nord Stream 2 nicht, sagte aber, dass man alle Sanktionen gemeinsam tragen werde.
In Rumänien sind unterdessen nach Angaben von Verteidigungsminister Vasile Dancu die ersten US-Soldaten eingetroffen, die die Nato-Truppen an der Südostflanke Europas verstärken sollen. Die USA hatten angekündigt, 3000 zusätzliche Soldaten nach Rumänien und Polen zu entsenden.
BAERBOCK IN DER OSTUKRAINE
Außenministerin Annalena Baerbock besuchte das Krisengebiet in der Ostukraine, wo prorussische Separatisten Teile des Landes kontrollieren und dabei von Russland unterstützt werden. Baerbock sprach nach einem Besuch an der sogenannten Kontaktlinie in der Nähe von Mariupol von sehr bedrückenden Bildern und sehr bedrückenden Gefühlen. Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland könne nur diplomatisch gelöst werden, betonte die Ministerin. Wichtig sei, dass der Beobachtereinsatz der OSZE vor Ort seine Arbeit machen könne.