Bundesbank erwartet weiter Aufschwung – “Wird sich wohl nur verzögern”

Berlin/Madrid (Reuters) – Deutschland steuert laut Bundesbankchef Joachim Nagel trotz der Folgen des Ukraine-Krieges auf einen Aufschwung zu.

“Er wird sich wohl nur verzögern”, sagte er dem “Handelsblatt” in einem am Mittwoch auf der Homepage der deutschen Zentralbank https://www.bundesbank.de/de/presse/interviews/nagel-wir-gehen-weiterhin-von-einem-aufschwung-aus–887252 veröffentlichten Interview. Eine Stagflation – also eine Konjunkturflaute, gepaart mit hoher Inflation – erwarte er derzeit nicht: “Auch wenn die Auswirkungen des Kriegs die Inflationsrate erhöhen und das Wirtschaftswachstum schwächen werden”, fügte er an. Zwar sei der Arbeitsmarkt bereits angespannt. Zudem seien auch wegen des Fachkräftemangels Probleme in Deutschland absehbar: “Wir haben aber gegenwärtig keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale.”

Nagel nannte den jüngsten geldpolitischen Beschluss des EZB-Rats gut und ausgewogen. Alle Währungshüter hätten gemeinsam den Auftrag, Preisstabilität zu gewährleisten. “Und der jüngste Beschluss zeigt ja, dass wir uns dem stellen. Ich sehe mich im EZB-Rat als Teamplayer, der aber auch kontroverse inhaltliche Diskussionen nicht scheut”, ergänzte der Bundesbankchef.

Auf der Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossen die Währungshüter nach lebhafter Diskussion schließlich, ihre milliardenschweren Anleihenkäufe im Rahmen des sogenannten APP-Programms schneller zurückzufahren. Im dritten Quartal könnten sie dann ganz auslaufen, wenn es der Inflationsausblick erlauben sollte. Damit wäre der Weg für eine Zinserhöhung frei.

Die deutsche Inflation hatte sich schon vor der jüngsten Preisexplosion bei Öl und Gas infolge des Ukraine-Krieges beschleunigt. Waren und Dienstleistungen verteuerten sich im Februar um 5,1 Prozent zum Vorjahresmonat. Experten rechnen in den kommenden Monaten mit deutlich höheren Werten und mit mehr als fünf Prozent auch im Jahresschnitt.

INFLATION AUFMERKSAM Im BLICK

Nach Angaben der Grünen betonte der Bundesbank-Chef am Mittwoch beim sogenannten “Geldpolitischen Dialog” im Bundestag, wie wichtig es sei, die aktuellen Inflationsentwicklungen aufmerksam zu beobachten. “Das teilen wir. Doch die aktuellen Inflationstreiber sind angebotsbedingt, und bei Angebotsschocks kann die Geldpolitik am allerwenigsten machen”, erklärte die Vize-Fraktionsvorsitzende Lisa Paus. Daher sei die besonnene Reaktion der EZB und der Bundesbank richtig: “Denn Geldpolitik kann kurzfristig nur die Nachfrage zusätzlich drosseln – mit der Gefahr der Verstärkung der Rezession.”

Die Wirtschaft war bereits vor der Jahreswende im Sog der Omikron-Welle in einen Abwärtsstrudel geraten: Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im vierten Quartal um 0,3 Prozent. Wegen des Ukraine-Krieges, der den Westen zu umfassenden Sanktionen gegen Russland veranlasste, müssen die Unternehmen nun mit weiterem Gegenwind fertig werden.

Für die Euro-Zone als Ganzes erwartet EZB-Vizechef Luis de Guindos keine Rezession – trotz der hohen Inflation und der Folgen des Ukraine-Krieges. Selbst in den widrigsten Szenarien der EZB zeichne sich diese Gefahr nicht ab, sagte der Spanier dem Fernsehsender Antena 3. Die EZB-Volkswirte sagen für das laufende Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent für die Währungsunion voraus. Noch im Dezember hatten sie ein Plus von 4,2 Prozent prognostiziert.

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