Berlin (Reuters) – Der Auftragspolster der deutsche Industrie ist kurz vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine erstmals seit dem Höhepunkt der Corona-Rezession vor fast zwei Jahren dünner geworden.
Der Bestand an Bestellungen nahm im Januar um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat ab. “Der Auftragsbestand ist damit das erste Mal seit Mai 2020 wieder gesunken”, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Dieser Rückgang könne auf “Bereinigungen älterer Auftragsbestände durch die Unternehmen hinweisen”.
Die Betriebe hatten zuvor seit Juni 2020 von Monat zu Monat mehr neue Aufträge bekommen, als sie abarbeiten konnten. Ein wesentlicher Grund dafür dürften Lieferengpässe bei Vorprodukten gewesen sein. “Solange die Nachfrage stärker als die Produktion zunahm, wuchs der Auftragsbestand”, sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. “Für die kommenden Monate wird entscheidend sein, ob die Angebotsprobleme durch den Ukraine-Krieg stärker zunehmen als die Nachfrageprobleme durch die steigenden Kosten für private Haushalte und Unternehmen und die Unsicherheit.”
Zuletzt fehlten etwa den Autobauern die begehrten Mikrochips, weshalb sie nicht so viele Fahrzeuge bauen können wie eigentlich möglich. “In den letzten Monaten verzeichneten die deutschen Unternehmen eine rege Nachfrage, konnten diese aber aufgrund von Problemen auf der Angebotsseite nur eingeschränkt bedienen”, sagte Scheuerle. “Lieferkettenprobleme, Logistikprobleme, fehlende Fachkräfte spielten hierbei eine entscheidende Rolle.”
Der Auftragsbestand lag im Januar trotz des Rückgangs zum Vormonat immer noch um 20,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Die Reichweite der Aufträge hat sich zugleich auf ein Rekordniveau erhöht: Sie markierte im Januar mit 7,8 Monaten “einen neuen Höchststand seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2015”, wie die Statistiker betonten. Bei den Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen und Fahrzeugen ist die Reichweite mit 11,1 Monaten besonders hoch. Sie gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Auftragseingänge theoretisch produzieren müssten, um die vorhandenen Aufträge abzuarbeiten.