Tesla-Fabrik rollt an – “Deutschland kann schnell sein”

– von Nadine Schimroszik

Grünheide (Reuters) – Der US-Elektroauto-Pionier Tesla hat am Dienstag im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz seine Fabrik in Grünheide bei Berlin eröffnet und die ersten Modelle “made in Germany” an Kunden übergeben.

Der aus den USA angereiste Konzernchef Elon Musk präsentierte das Werk mit Stolz: “Tesla wird sicherstellen, dass das ein Juwel ist für diese Region, für Deutschland und die Welt”, sagte er bei der Eröffnungsfeier im brandenburgischen Grünheide. “Deutschland kann schnell sein”, betonte Scholz (SPD) mit Blick auf die Rekord-Bauzeit von gut zwei Jahren. Das Werk sei ein Ansporn und ein Zeichen für den Fortschritt der Industrie am Standort Deutschland. Der Umschwung zu Elektroautos sei gerade jetzt wichtig, wo Deutschland wegen des Ukraine-Krieges unabhängig von russischem Öl werden wolle, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seiner Ankunft am Werk. “Zu zeigen, wir können auch elektrisch, ist an diesem Tag ein schönes Symbol.”

Die weltweit fünfte große Tesla-Fabrik wurde in so kurzer Zeit errichtet, weil das Unternehmen den Bau auf eigenes Risiko begann, bevor alle Genehmigungen vorlagen. Diese wurden nach Protesten und Klagen von Bürgern und Umweltverbänden, die schädliche Folgen etwa für die Wasserversorgung befürchten, erst Anfang März endgültig erteilt. Auch zur Eröffnung, die auf den Weltwassertag der Vereinten Nationen fällt, protestierten Umweltschützer. Auf der A10 in Richtung Grünheide seilten sich zwei Tesla-Gegner von einer Autobahnbrücke ab. Die Polizei stoppte den Verkehr, es kam zu einem langen Stau. “Die Ersetzung von Verbrennern durch Elektroautos wird uns nicht vor der Klimakrise retten”, sagte Aktivist Benjamin aus Berlin, der vor der Einfahrt gegen den Autobauer demonstrierte.

“GEMEINSAM GEROCKT”

Neben Mitarbeitern und Käufern der ersten 30 ausgelieferten Neuwagen des “Model Y” waren auch Tesla-Fanclubs vor Ort. Der Auftritt des exzentrischen Tesla-Chefs, zur Feier des Tages ausnahmsweise in Anzug und Krawatte, wurde in den sozialen Medien verfolgt – das Internet vor Ort brach mehrmals zusammen. “Dankeschön für alles, Brandenburg, Grünheide, Deutschland”, sagte der Südafrikaner auf Deutsch. Musk tanzte unter Beifall zu lauter Musik vor dem ersten Wagen herum. “Deutschland rocks!”, hatte der Techno-Fan bei einer früheren Stippvisite geschwärmt. “Am Ende haben wir es gemeinsam gerockt”, sagte der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Das Gelände des für sechs Milliarden Euro errichteten Werks hat eine Größe von 31 Fußballfeldern. Habeck sagte, der Staat wäre bereit gewesen, “ordentlich Geld” in die Hand zu nehmen, doch Tesla habe keine Förderung gewollt. Der Klimaschutzminister wünschte sich mehr “Tesla-Tempo” in anderen Bereichen.

Das sieht auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) so: Die deutschen Industrieunternehmen wünschten sich ebenso viel Rückhalt für beschleunigte Genehmigungsverfahren wie er Tesla vom Land Brandenburg zuteil wurde. “Das Tempo bei Tesla muss als Vorbild für Investitionsprojekte in Deutschland dienen”, erklärte BDI-Präsident Siegfried Russwurm.

KONKURRENZDRUCK STEIGT

Künftig sollen in Grünheide jährlich 500.000 Wagen vom Kompakt-SUV-Wagen Model Y sowie 500 Millionen Batteriezellen hergestellt werden, was einer Produktionsmenge von 50 Gigawatt pro Jahr entspricht. Damit verstärkt sich der Konkurrenzdruck auf die deutschen Autobauer, die ihr Angebot nach und nach von Verbrennermodellen auf Elektromobile umstellen. Vor allem Volkswagen-Chef Herbert Diess preist Tesla als Vorbild für effiziente Autoproduktion. Denn die Amerikaner bauen ein Auto in zehn Stunden, wie eine Tesla-Sprecherin bestätigte. VW braucht drei Mal so lange. Zwei Autostunden westlich will Volkswagen im nächsten Jahr nahe seines Stammwerks Wolfsburg eine neue Fabrik hochziehen, in der ab 2026 das neuentwickelte Elektroauto Trinity vom Band rollen soll. Dort will VW mit hochautomatisierter Produktionstechnik E-Autos in ähnlich kurzer Zeit bauen wie der amerikanische Rivale.

Tesla – mit Produktionen nun in Kalifornien, Texas, Shanghai, Grünheide und einer Montagefabrik im niederländischen Tilburg – kann seine weltweiten Kapazitäten nach Analysten-Schätzungen auf fast zwei Millionen Fahrzeuge im Jahr hochschrauben und kommt so in Schlagdistanz zum Absatz der Premiumhersteller BMW und Mercedes-Benz. Der Produktionsstart in Grünheide ist zugleich die Europapremiere einer leistungsstärkeren Version des Model Y mit mehr als 500 Kilometern Reichweite zum Preis ab 63.990 Euro. Der Zeitpunkt könne kaum besser sein, erklärte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege von Robomarkets. Die explodierenden Öl- und Spritpreise dürften für viele ein Grund zum Umstieg auf E-Autos sein. “Die Zeichen der Zeit stehen also gut für Tesla.”

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