Berlin (Reuters) – Zwei Tage vor der Bundestags-Abstimmung zeichnet sich keine Mehrheit für eine allgemeinen Impfpflicht ab.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte die Union am Dienstag auf, sich hinter einen Kompromissvorschlag von Ampel-Politikern zu stellen. CDU-Chef Friedrich Merz warnte SPD, Grüne und FDP seinerseits vor Verfahrens-“Manipulationen” im Zusammenhang mit der Bundestags-Abstimmung am Donnerstag. Die Ampel-Parteien sollten das Konzept der oppositionellen Union unterstützen.
Am Donnerstag soll der Bundestag über die Einführung eine Impfpflicht abstimmen, für die sich Kanzler Olaf Scholz und fast alle Spitzenpolitiker von SPD und Grünen einsetzen. Beim Koalitionspartner FDP ist sie aber umstritten. Die Ampel hatte deshalb die Abstimmung freigegeben, so dass fraktionsübergreifende Anträge entstehen konnten. Obwohl eine deutliche Mehrheit der Parlamentarier im Bundestag für eine Impfpflicht ist, verhindert nun die Zersplitterung auf mehrere Anträge und Gesetzentwürfe aber eine ausreichende Mehrheit.
Zur Debatte für die Abstimmung im Bundestag standen bislang eine Ablehnung der Impfpflicht, eine Pflicht ab 18 Jahren, eine ab 50 Jahren und das Unions-Konzept einer abgestuften Impfpflicht, die erst ab einer schwierigen Pandemie-Entwicklung gelten soll. Eine Gruppe von Ampel-Politikern hatte zudem am Montag einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der zunächst eine Impfpflicht ab 50 Jahren und eine spätere Abstimmung über eine Impfpflicht ab 18 Jahren sowie die Einführung eines Impfregister vorsieht. Diese soll erfassen, wer alles geimpft wurde. Aber auch Politiker von SPD, Grüne und FDP, die bisher für eine Regelung nur ab 50 Jahren waren, wollen dem nicht zustimmen.
Die Spitzen der Ampel-Fraktionen wollen dennoch eine Mehrheit für den Kompromissantrag erreichen, indem sie über ihn als letztes abstimmen lassen wollen. Dann, so der Hintergedanke, könnten sich Anhänger anderer Konzepte am Ende doch hinter das abgestufte Modell stellen, damit überhaupt eine Impfpflicht beschlossen wird. Die Union lehnt das Verfahren ab. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von “Verfahrenstricks”.
MERZ WIRFT LAUTERBACH INKONSEQUENZ VOR
Merz kritisierte, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach selbst die Einführung gefährde. Es sei unsinnig, erst die Maskenpflicht abzuschaffen, dann ab 1. Mai nur noch eine freiwillige Quarantäne von Infizierten vorzuschreiben – und dann der Bevölkerung eine Impfpflicht verkaufen zu wollen, sagte Merz. 62 Prozent der Bundesbürger sind laut einer Forsa-Umfrage für die Sender RTL/ntv weiter für die Einführung einer Corona-Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren. Besonders stark wird sie von Anhängern der SPD (76 Prozent), der Grünen (67 Prozent) und von CDU/CSU (67 Prozent) unterstützt. Die Anhänger der FDP (57 Prozent) und der AfD (83 Prozent) lehnen sie dagegen ab. Gleichzeitig beurteilen nur noch die Anhänger von SPD und Grünen die Arbeit von Gesundheitsminister Lauterbach mehrheitlich als gut.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Dienstag 180.397 Corona-Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Das sind 56.955 Fälle weniger als am Dienstag vor einer Woche, als 237.352 positive Tests gemeldet wurden. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sank weiter auf 1394,0 von 1424,6 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen sich mit dem Corona-Virus in einer Woche pro 100.000 Einwohner anstecken. Die Werte gelten aber nicht mehr als vergleichbar mit den Vorwochen, weil die Ampel-Regierung die Pflicht zum Testen stark eingeschränkt hat. Die Dunkelziffer bei den Infektionen dürfte also weiter gestiegen sein. Das RKI bezeichnete den Höhepunkt der fünften Welle aber als überschritten. 316 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus.