Genf/Berlin (Reuters) – Der Welthandel wird sich wegen des Kriegs in der Ukraine deutlich abschwächen.
Das geht aus Prognosen der Welthandelsorganisation hervor, die die WTO am Dienstag in Genf veröffentlichte. Demnach dürfte er dieses Jahr nur noch um 3,0 Prozent zulegen. Bislang hatte die WTO mit 4,7 Prozent gerechnet. Für nächstes Jahr wird dann ein Plus von 3,4 Prozent erwartet. “Aber diese Vorhersagen sind weniger sicher als sonst.” Für Nordamerika werden überdurchschnittliche Zuwächse prognostiziert, für Europa unterdurchschnittliche.
Neben dem russischen Angriff auf die Ukraine, der die ohnehin schon hohen Energiepreise weiter angeheizt hat und auch Lebensmittel verteuert, gibt es laut WTO zahlreiche weitere Probleme für Exporteure. Dazu zählen die Lockdowns in China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Viele Lieferketten sind nach wie vor gestört. Und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs würden vor allem auch Entwicklungsstaaten stark zu spüren bekommen.
WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala warnte im Zuge des Kriegs vor Auswirkungen, die weit über die Ukraine hinausgingen. Vor allem in Afrika könne es eine Lebensmittelkrise geben. Etwa 35 Länder seien dort stark abhängig von Importen.
Für die Weltwirtschaft sagt die WTO nur noch ein Wachstum von 2,8 Prozent voraus, statt der bisher erwarteten 4,1 Prozent. 2023 dürften es dann 3,2 Prozent sein. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2019 lag bei 3,0 Prozent.
ACHTERBAHNFAHRT FÜR UNTERNEHMEN
Der Kreditversicherer Allianz Trade rechnet beim Volumen des Welthandels 2022 nur noch mit einem Wachstum von vier Prozent, zwei Punkte weniger als bisher. Damit werde der Langzeitschnitt unterschritten. Beim Wert der gehandelten Waren wird inflationsbereinigt ein Plus von elf Prozent erwartet, nachdem es vor dem Krieg gut sieben Prozent waren. “2022 wird für den Welthandel eher eine Achterbahnfahrt und kein erneuter Höhenflug wie 2021”, sagte Allianz-Trade-Expertin Ana Boata. 2021 hatte bei mehr als drei von vier Firmen die Erwartungen übertroffen, weil es nach dem ersten Corona-Jahr 2020 einen regelrechten Nachhol-Boom gab.
Der Kreditversicherer hat gerade mehr als 2500 Firmen aus sechs Ländern befragt. Immerhin 84 Prozent gehen für dieses Jahr noch von einem Umsatzplus aus. Vor dem Ukraine-Krieg waren es aber 93 Prozent. Als Top-Risiken für das Geschäft nennen die Unternehmen steigende Transport- und Energiekosten. 58 Prozent sorgen sich um zunehmend Zahlungsausfälle, 47 Prozent um Störungen in den Lieferketten.