– von Pavel Polityuk und Natalia Zinets und Simon Lewis
Kiew/Mariupol/Berlin (Reuters) – Russland wird nach Angaben von US-Außenminister Antony Blinken seine Kriegsziele in der Ukraine verfehlen.
“Was die Kriegsziele Russlands betrifft, so ist Russland bereits gescheitert und die Ukraine hat bereits Erfolg gehabt”, sagte Blinken am Montag nach einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Zusammen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte er dort drei Stunden mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und der ukrainischen Führung gesprochen. Dabei kündigten die beiden Politiker eine schrittweise Rückkehr von US-Diplomaten in die Botschaft in Kiew und die Lieferung moderner Waffen an. Zudem soll weitere Militärhilfe im Umfang von 713 Millionen Dollar für die Ukraine und die Region fließen.
“Damit werden die von der Ukraine benötigten militärischen Fähigkeiten unterstützt, insbesondere der Kampf im Donbass”, sagte ein Beamter des US-Außenministeriums. “Diese Hilfe wird den ukrainischen Streitkräften auch bei der Umstellung auf fortschrittlichere Waffen und Luftabwehrsysteme helfen, die im Wesentlichen Nato-fähig sind.” Die Ukraine selbst werde mehr als 322 Millionen Dollar an neuen US-Hilfen erhalten, kündigten Blinken und Austin an. Die gesamte US-Sicherheitshilfe für die Ukraine seit der Invasion belaufe sich damit auf etwa 3,7 Milliarden Dollar.
Russische Truppen rückten unterdessen nach ukrainischen und britischen Angaben im Osten der Ukraine vor. Allerdings seien die Geländergewinne wegen mangelnder Logistik nur gering, schrieb das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Bericht. Der anhaltende ukrainische Widerstand in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol habe die Kampfkraft der russischen Truppen reduziert. Reuters konnte den Bericht nicht verifizieren. Die russische Nachrichtenagentur Ria berichtete, dass die russische Luftwaffe in der Nacht 56 militärische Ziele in der Ukraine angegriffen habe. Dabei habe man auch die Ölraffinerie in Kremenschug zerstört. Russland versucht nach eigenen Angaben, den gesamten Donbass zu erobern. Seit 2014 kontrollieren prorussische Separatisten bereits Teile der dortigen Regierungsbezirke Luhansk und Donezk.
RUSSISCHE UND UKRAINISCHE ÖLLAGER BRENNEN
Aus Russland kamen am Montag Meldungen über ein brennendes Öllager gut 150 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Am frühen Montag sei in einem Öllager in der russischen Stadt Brjansk ein Großbrand ausgebrochen, teilte das russische Katastrophenschutzministerium mit. Es gab keine unmittelbaren Hinweise darauf, dass das Feuer mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängt. Allerdings hatten russische Beamte letzte Woche gesagt, dass ukrainische Hubschrauber Wohngebäude getroffen und sieben Menschen in der Gegend verletzt hätten. Brjansk ist ein Verwaltungszentrum etwa 380 Kilometer von der russischen Hauptstadt Moskau entfernt. Wie bei einem früheren Brand eines Öllagers in Russland hatte das ukrainische Militär keine Angaben gemacht, ob dies auf ukrainische Angriffe zurückzuführen sei. Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete unter Berufung auf den Gouverneur der Region Kursk, dass dort zwei ukrainische Drohnen abgeschossen worden seien.
Russische Truppen waren am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Die Regierung in Moskau bezeichnet ihr Vorgehen als Sondereinsatz zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung des Nachbarlandes. Sie weist Vorwürfe zurück, Zivilisten anzugreifen. Westliche Staaten sprechen hingegen von einem Angriffskrieg Russlands und Verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Seit Beginn der russischen Invasion sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als fünf Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen.
In Deutschland diskutiert die Ampel-Regierung nach Angaben von SPD-Co-Chefin Saskia Esken weiter die Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine. “In der SPD wird die Debatte heiß geführt, sowohl in der Frage der Waffenlieferungen als auch in der Frage der Unterstützung insgesamt”, sagte Esken im Deutschlandfunk. Allerdings seien sich alle einig, dass man der Ukraine im Kampf gegen russische Angriffe mit Waffen helfen müsse.
Strittig ist zwischen SPD, Grünen und FDP und auch innerhalb der Fraktionen, woher schwere Waffen für die Ukraine kommen sollen. “Die direkte Lieferfähigkeit der Bundeswehr mit eigenem Material ist erschöpft”, sagte die SPD-Politikerin Esken. Deshalb müsse man andere Wege gehen, etwa über Bestellungen bei der Industrie oder einen Ringtausch mit EU-Partnern. Im Bundestag soll diese Woche über Anträge der Union und der Ampel-Koalition über die Lieferung schwerer Waffen abgestimmt werden. Die oppositionelle Union hat einen Antrag vorgelegt, der von der Regierung auch Lieferungen aus Bundeswehrbeständen fordert.
(Bericht von mehreren Reuters-Büros, geschrieben von Andreas Rinke; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)