Bayerisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig

Karlsruhe (Reuters) – Bayern hat mit dem Verfassungsschutzgesetz von 2016 teilweise gegen Grundrechte verstoßen.

Es verletze unter anderem das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das Fernmeldegeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stefan Harbarth, am Dienstag bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Damit hatten die Verfassungsbeschwerden von drei Einzelpersonen, die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt wurden, überwiegend Erfolg. Harbarth betonte jedoch, dass Bayern weiter die Möglichkeit habe, das Verfassungsschutzgesetz verfassungskonform auszugestalten. Es gehe um “das Spannungsfeld zweier Herzensanliegen unserer Verfassung, der wehrhaften Demokratie einerseits und des Schutzes persönlicher Freiheit andererseits.” (AZ: 1 BvR 1619/17)

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmannn (CSU) sagte nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe: “Das Urteil stärkte insgesamt den Verfassungsschutz in Deutschland.” Seine Arbeit sei grundsätzlich als notwendig bestätigt worden. Es sei machbar, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, das wolle Bayern jetzt möglichst schnell tun.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Verfassungsbeschwerden unterstützt hatte, nannte die Entscheidung einen großen Erfolg. “Die Bedeutung gehe weit über Bayern hinaus, denn es gibt nach unserer Kenntnis auch andere Verfassungsschutzgesetze, die nicht den Standard erfüllten, die das Urteil festgelegt hat”, sagte Maria Scharlau, Sprecherin der GFF.

Laut dem 153 Seiten langen Urteil müssen unter anderem die akustische Wohnraumüberwachung, die Onlinedurchsuchung von Computern, die Handyortung oder der Einsatz verdeckter Ermittler eingegrenzt werden. Das Gesetz muss bis zum 31. Juli 2023 geändert werden. Bis dahin gelten Auflagen bei seiner Anwendung. Soweit der bayerische Verfassungsschutz bisher auch das Recht hatte, gespeicherte Telefondaten aus der Vorratsdatenspeicherung abzurufen, wurde die Befugnis für nichtig erklärt. Denn die Telekommunikationsunternehmen sind schon nach Bundesrecht nicht zur Weitergabe an die Länder befugt oder verpflichtet.

(Von Ursula Knapp, redigiert von Hans Seidenstücker Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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