Lindner kündigt ab 2023 andere Finanzpolitik an

Berlin (Reuters) – Bundesfinanzminister Christian Lindner will seinen Kurs ab nächstem Jahr deutlich ändern.

Er stellte dafür am Mittwoch in Berlin eine neue Strategie für die Finanzpolitik vor, die allerdings nicht in der Ampel-Koalition abgestimmt ist. Sie soll als Leitlinie für sein Ministerium dienen. Vorgesehen ist eine wesentlich stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Unternehmen, während die Ausgaben des Staates im Zaum gehalten werden sollen.

Nach zahlreichen Sonderlasten durch die Coronavirus-Pandemie und den Krieg in der Ukraine müsse es einen Schwenk geben, Puffer müssten wieder aufgebaut werden. “Ab dem nächsten Jahr beginnt eine andere Phase der Finanzpolitik.” Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse solle dann in einem schwierigen Umfeld – mit hoher Inflation und geringerem Wachstum als gedacht – wieder eingehalten werden. Die Neuverschuldung muss dafür radikal zurückgefahren werden. “Man muss den Exit aus dem Krisenmodus finden.” Für nötige Investitionen gebe es dann noch den Klimafonds und das Sondervermögen zur Modernisierung der Bundeswehr.

Nötig sei ein sich selbst tragender Aufschwung. Priorität habe alles, was den Preisdruck reduziere und die Produktivität der Firmen stärke, so der FDP-Chef. Die zuletzt wegen des Krieges in der Ukraine gesenkten Wachstumsprognosen für Deutschland seien Warnsignale. “Weniger Wachstum in Verbindung mit steigender Inflation ist eine gefährliche Kombination. Wir dürfen die Gefahr einer Stagflation nicht unterschätzen. Wir tun es nicht.”

STEUERSENKUNGEN IN AMPEL-REGIERUNG SCHWER UMSETZBAR

Lindner ergänzte, er arbeite an einer weiteren steuerlichen Entlastung. Die Belastung der Firmen sei zu hoch, Deutschland rangiere hier sogar noch hinter Frankreich. Er sprach sich für eine komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags aus, was Unternehmer am schnellsten spüren würden. Lindner räumte aber ein, dass es weder in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP noch im Bundestag dafür eine Mehrheit gibt.

Eine ins Spiel gebrachte Mehrwertsteuersenkung wäre nicht befristet und nicht zielgerichtet genug, so Lindner. “Da würde ich sagen, dass ist nicht das, was wir brauchen.” Die Nachfrage der Konsumenten sei zudem bereits stark. Konjunkturimpulse seien daher nicht gefragt. Es hapere trotz voller Auftragsbücher beim Angebot der Unternehmen, die derzeit oft mit Lieferkettenproblemen kämpften und unter den hohen Energiepreisen ächzten.

Lindner ergänzte, ohne den Ukraine-Krieg hätte er die neue Strategie schon früher vorgestellt. Schuldenfinanzierte Subventionen des Staates seien der falsche Weg. Als Beispiele nannte er die Baubranche und auch die bereits stark geförderte Elektromobilität.

Ökonomen hatten zuletzt immer öfter vor einer Lohn-Preis-Spirale gewarnt. Lindner sagte, es gebe das Risiko, dass sich die erhöhten Inflationserwartungen bei Unternehmen und Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen niederschlagen. Das könnte die hohe Inflation verstetigen. Der Staat müsse umfangreiche Transferprogramme vermeiden, höhere Konsumausgaben der öffentlichen Hand seien kontraproduktiv.

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