EU-Staaten einigen sich auf weitgehendes Öl-Embargo gegen Russland

Brüssel (Reuters) – Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) haben sich in Folge des Angriffskriegs gegen die Ukraine im Rahmen eines sechsten Sanktionspakets auf ein weitgehendes Embargo für Öl-Importe aus Russland geeinigt.

Das teilte EU-Ratspräsident Charles Michel am späten Montagabend beim Sondergipfel der 27 EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel mit. “Das deckt ab sofort mehr als zwei Drittel der Öl-Importe aus Russland ab, und schneidet damit eine enorme Quelle der Finanzierung seiner Kriegsmaschinerie ab”, sagte Michel. EU-Kommissionspräsidentin Ursula schrieb zu der Entscheidung auf Twitter https://twitter.com/vonderleyen/status/1531396163185827843: “Ich bin sehr froh, dass sich die Staats- und Regierungschefs grundsätzlich auf das sechste Sanktionspaket einigen konnten. Die Ölimporte aus Russland in die EU werden damit bis Ende des Jahres effektiv um rund 90 Prozent reduziert.” Auch Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte die Entscheidung. “Die EU ist sich einig”, teilte Scholz auf dem Kurznachrichtendienst https://twitter.com/Bundeskanzler/status/1531400349344473089 mit. Zudem beschlossen die EU-Staaten Michel zufolge, das größte russische Finanzinstitut Sberbank vom Zahlungssystem Swift auszuschließen und drei weiteren russischen Staatsmedien die Sendelizenz zu entziehen.

BEFRISTETE AUSNAHMEREGELUNG FÜR DRUSCHBA-PIPELINE

Das Verbot von Öl-Importen in EU-Länder gilt zunächst für russisches Rohöl, das per Schiff geliefert wird. Die EU verständigte sich damit auf eine befristete Ausnahme des Einfuhrverbots für Ungarn, die Slowakei und Tschechien, die von Öl-Lieferungen durch die Druschba-Pipeline abhängig sind. Es gebe eine “vorübergehende Ausnahme für das Öl, das durch die Pipeline in die EU gelangt”, teilte Michel auf einer Pressekonferenz mit. “Wir wollen uns so bald wie möglich an den Europäischen Rat wenden, um diese vorübergehende Ausnahme zu klären und sicherzustellen, dass wir in der Lage sind, das gesamte russische Öl zu erfassen.” Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky sagte nach der Ankündigung der EU, er sei Michel dankbar, dass er die Interessen der Ukraine und die Interessen ganz Europas unterstütze und den Kompromiss vorangetrieben habe. “Russland muss einen viel höheren Preis für seine Aggression zahlen.” Bei der Entscheidung der EU gehe es auch um die Unabhängigkeit der Europäer von russischer Energie, die der Kreml als “Waffe” gegen sie einsetze. “Und je früher das geschieht, je vollständiger der Verzicht auf russisches Öl ist, desto profitabler wird es am Ende für Europa selbst sein.”

Vor allem Ungarn hatte wegen der großen Abhängigkeit seines Landes vom russischen Öl bis zuletzt eine Einigung der EU auf das mittlerweile sechste Sanktionspaket gegen Russland verhindert. An die Druschba-Pipeline, zu Deutsch “Freundschaft”, angeschlossen sind unter anderem Raffinerien in Budapest, Prag und Bratislava. Ungarn, die Slowakei und Tschechien verfügen wegen ihrer geografischen Lage nicht über einen Anschluss an das offene Meer und sind daher nahezu vollständig auf Lieferungen über die Pipeline angewiesen.

LAGE IM DONBASS WEITER “EXTREM SCHWIERIG”

Kurz vor der Ankündigung der EU hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, die Lage im Donbass sei nach wie vor “extrem schwierig”. Nach ukrainischen Angaben steht die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk vor der Einnahme durch russische Streitkräfte, die Nachbarstadt Lyssytschansk sei indes weiter unter ukrainischer Kontrolle. Russlands Außenminister Sergej Lawrow nannte die Einnahme des Donbass eine bedingungslose Priorität für sein Land. Die Einnahme der beiden Städte würde der Regierung in Moskau die faktische Kontrolle über die Region Luhansk geben und es dem Kreml ermöglichen, eine Art Sieg zu verkünden. Ukrainische Regierungsvertreter fordern seit längerem ihre Verbündeten auf, das Land mit Waffen zu versorgen, die eine große Reichweite haben, wie etwa das Mehrfachraketenwerfer-System MLRS, dessen Geschosse Hunderte Kilometer weit fliegen können. US-Präsident Joe Biden hatte am Dienstag erklärt, der Ukraine keine Raketensysteme zur Verfügung stellen, die eine solch große Reichweite haben, dass sie für Angriffe auf Russland genutzt werden könnten.

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