Bundesbank kappt Wachstumsprognose – Über sieben Prozent Inflation erwartet

Frankfurt (Reuters) – Die Bundesbank senkt wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs ihre Wachstumsprognose um mehr als die Hälfte.

Zugleich rechnet sie mit einem regelrechten Inflationsschub in diesem Jahr auf über sieben Prozent. Die deutsche Wirtschaft trotze zwar dem Gegenwind von Ukraine-Krieg, hoher Teuerung und Lieferengpässen, erklärte die deutsche Notenbank am Freitag in ihrer halbjährlichen Prognose. Die Erholung werde sich aber deutlich gedämpfter fortsetzen, als es noch im Dezember erwartet worden sei. Für das laufende Jahr rechnet die Bundesbank nur noch mit einem kalenderbereinigten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,9 Prozent. Zuvor hatte sie noch ein Wachstum von 4,2 Prozent vorausgesagt.

Die Corona-Beschränkungen seien weitgehend entfallen, wodurch Dienstleister und der private Konsum angeschoben würden, erklärte die Bundesbank. Dagegen heizten die wegen des Ukraine-Kriegs stark gestiegenen Energiepreise die ohnehin schon hohe Teuerung weiter an. Dies schmälere die Kaufkraft der Haushalte. Dazu bremsten Lieferengpässe die Produktion. Exporte litten zudem unter einer schwächeren Nachfrage. Die Bundesbank rechnet aber damit, dass ab der zweiten Jahreshälfte die Aufwärtskräfte wieder stärker Oberhand gewinnen. Für 2023 erwartet sie ein BIP-Wachstum von 2,4 (Dezember-Prognose: 3,2) Prozent und für 2024 von 1,8 (0,9) Prozent.

MEHR ALS SIEBEN PROZENT INFLATION ERWARTET

Keine rasche Entwarnung gibt es bei den Lebenshaltungskosten. “Die Verbraucherpreise werden in diesem Jahr noch stärker steigen als Anfang der 1980er Jahre”, erklärte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel. Der kräftige Preisdruck sei vor allem Folge der nach oben geschnellten Preise für Energie und Lebensmittel. Aber auch die Lieferengpässe feuerten die Inflation an. Für das laufende Jahr rechnet die Bundesbank nun mit einer Teuerung von 7,1 Prozent statt wie noch in ihrer Dezember-Prognose mit 3,6 Prozent. Der Preisdruck habe sich zuletzt sogar noch verstärkt. Die neuen Wirtschaftsprognosen bildeten diese Risiken nicht vollständig ab. Nagel schätzt, dass die Inflation 2022 im Schnitt sogar deutlich mehr als sieben Prozent betragen könnte. Aus Bundesbank-Sicht sind 7,75 Prozent möglich.

Auch für 2023 hob die Notenbank ihre Inflationsprognose deutlich auf 4,5 Prozent von zuvor 2,2 Prozent an. Für 2024 wird jetzt ein Anstieg der Lebenshaltungskosten von 2,6 statt wie bislang 2,2 Prozent erwartet. “Der Rückgang der Inflationsraten im Euroraum wird kein Selbstläufer sein”, sagte Nagel. Die Geldpolitik sei aufgerufen, die Teuerung durch konsequentes Handeln zurückzuführen. Wegen der extrem hohen Inflation hatte die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag angekündigt, die Zinsen im Juli um 0,25 Prozentpunkte anzuheben. Dies wäre die erste Zinserhöhung seit elf Jahren. Zugleich stellte EZB-Chefin Christine Lagarde weitere Zinsanhebungen in Aussicht.

Bei der deutschen Schuldenquote erwartet die Bundesbank bis 2024 einen spürbaren Rückgang auf rund 63 Prozent. 2021 hatte die Quote noch bei 69,3 Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen. Grund des Rückgangs sei vor allem das relativ stark wachsende BIP. Auch Corona-Sondereffekte, die den Schuldenstand erhöhten, würden abnehmen. 2019 hatte Deutschland noch eine Schuldenquote von 58,9 Prozent aufgewiesen und war damit erstmals seit 2002 wieder unter dem EU-Grenzwert von 60 Prozent geblieben.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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