Habecks Energiespar-Kampagne – Putin eins auswischen und profitieren

Berlin (Reuters) – Bundesregierung, Wirtschaft und Verbraucherschützer haben vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs eine Kampagne zum Energiesparen gestartet.

Unter dem Motto “80 Millionen gemeinsam für den Energiewechsel” soll der Verbrauch mit Hilfe von Werbe-Plakaten, Veranstaltungsreihen sowie Förderprogrammen und Beratungs-Angeboten gesenkt werden, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag sagte. Dies sei für den Klimaschutz und auch wegen der Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen nötig. “Nur mit mehr erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz werden wir unsere Unabhängigkeit stärken.” Zudem könne man selbst profitieren: “Nicht nur Putin eins auswischen, sondern auch selbst besser dastehen”, sagte Habeck mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Kritik kam von einigen Umweltverbänden, die etwa wegen des Tankrabatts der Regierung mangelnde Entschlossenheit vorwarfen.

Die Kampagne wird unter anderem von Verbänden wie dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sowie dem Naturschutzring mitgetragen. Botschaften wie “Liebe Duschfans, ein Energiespar-Duschkopf spart 30 Prozent Heizenergie” oder “Liebe 80 Millionen, wer Energie spart stärkt Deutschlands Unabhängigkeit”, sollen die Menschen erreichen.

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sagte, derzeit sei man zwar gut mit Gas versorgt. “Allerdings zu exorbitant hohen Preisen”. Das müsse jeder wissen, sei es in der Industrie oder im privaten Bereich. “Gas zu sparen ist gut. Aus Klimagründen, aber auch aus Gründen des eigenen Geldbeutels”, sagte er Reuters TV.

Der Naturschutzring sagte Unterstützung zu, mahnte aber ein Tempolimit an. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärte: “Energieeffizienz ist ein ureigenes Interesse der Industrie.” Deutschland sei da bereits Weltmeister. Die Verbraucherzentralen berichteten von einem Ansturm auf Beratungsangebote, der angesichts der Preise seit längerem zu verzeichnen sei.

Laut einer Umfrage des Bundesverbandes der Deutschen Energiewirtschaft (BDEW) gehen die Menschen in Deutschland bereits bewusster mit dem Thema Energieverbrauch um. Mehr als drei Viertel (77 Prozent) der Befragten gaben an, dass sie in den vergangenen Monaten ihr Verhalten geändert und versucht hätten, beim Heizen oder beim Warmwasserverbrauch Energie einzusparen. Nur jeder Fünfte erklärte, sein Verhalten nicht verändert zu haben.

GREENPEACE: REGIERUNG HANDELT INKONSEQUENT

Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser warf der Regierung vor, sich erst im vierten Kriegsmonat mit dem Thema zu beschäftigen. Während Habeck die Menschen zum Sparen aufrufe, subventioniere FDP-Verkehrsminister Volker Wissing mit seinem milliardenschweren Tankrabatt den Spritverbrauch. “Das ist als würde der eine einen Brand löschen, während der andere Briketts nachwirft.” Die Deutsche Umwelthilfe nannte Habecks Kampagne eine Nebelkerze: “Anstatt dass er selbst tätig wird, verschiebt er die Verantwortung vor allem auf die Verbraucherinnen und Verbraucher und gibt Duschkopf-Tipps.” Er solle selbst etwa bei der Sanierung von Häusern mit Vorgaben und Förderung handeln.

Habeck wollte kein festes Einsparziel bei der Vorstellung der Kampagne nennen und rückte von dem von seinem Ministerium mehrfach genannten zehn Prozent ab. Dies sei für manche Menschen nicht machbar. “Dieses ‘Zehn Prozent geht doch immer’ klingt in vielen Ohren wie blanker Hohn”, sagte er mit Blick auf Menschen, die ohnehin strikt sparen müssten. Letztlich könne es aber auch sein, dass insgesamt mehr gespart werde. Sein Klimastaatssekretär Patrick Graichen hatte mehrfach den Begriff von den zehn Prozent gebraucht, um deutlich zu machen, dass Potenzial in der Energie-Effizienz steckt.

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