Größter Bahnstreik seit Jahrzehnten lähmt Großbritannien

London (Reuters) – In Großbritannien sind beim größte Bahnstreik seit 30 Jahren unzählige Pendler und Reisende verspätet oder gar nicht an ihren Zielen angekommen.

Während des morgendlichen Berufsverkehrs waren am Dienstag deutlich mehr Fahrzeuge auf den Straßen als an normalen Tagen. Viele Menschen wichen auf Auto oder Fahrrad aus, oder gingen zu Fuß. In Krankenhäusern übernachtete teilweise das Pflegepersonal, um die Betreuung der Patienten sicherzustellen.

Im Kampf für höhere Löhne und gegen Stellenabbau legten über 40.000 Eisenbahner das britische Schienennetzes lahm. Große Bahnhöfe blieben menschenleer. Die Bahngewerkschaft fordert angesichts einer Inflation von fast zehn Prozent eine Lohnerhöhung von mindestens sieben Prozent, die Arbeitgeber bieten bislang zwei Prozent an.

Premierminister Boris Johnson hat die Streiks als falsch und unnötig bezeichnet. Die Regierung fürchtet, der Arebitskampf könne mit zu einer Lohn-Preis-Spirale führen.

Verkehrsminister Grant Shapps kündigte eine Gesetzesänderung an, die Bahnbetreiber zu einer Grund-Versorgung an Streiktagen verpflichtet und die Vertretung von streikendem Personal durch Ersatzkräfte erlaubt. “Wir werden dafür sorgen, dass solche Dinge in Zukunft weniger Schaden anrichten”, sagte Shapps dem Sender Sky News.

Die Eisenbahner wollen auch am Donnerstag und Samstag streiken. Der dreitägige Streik ist nach Ansicht der Gewerkschaften nur der Auftakt für einen möglichen “Sommer der Unzufriedenheit”, in dem auch Lehrer, Mediziner und sogar Anwälte in den Arbeitskampf treten werden. Viele Briten leiden unter steigenden Preisen für Lebensmittel und Kraftstoff.

Der aktuelle Arbeitskampf hat Vergleiche mit den 1970er Jahren aufgeworfen. Damals gab es in Großbritannien eine Serie von Streiks, die schließlich in den “Winter der Unzufriedenheit” 1978/79 mündete. Die jetztigen Streiks finden zu einer Zeit statt, in der Experten zufolge eine Kombination aus Arbeitskräftemangel, gestörten Lieferketten, Inflation und Handelsstreitigkeiten nach dem Brexit zu einer Rezession führen könnte.

(Bericht von Kylie MacLellan und Farouq Suleiman, geschrieben von Elke Ahlswede, Rene Wagner und Nette Nöstlinger, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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