Frankfurt (Reuters) – Nach einem Gewinnsprung im zweiten Coronajahr erwarten die deutschen Genossenschaftsbanken wegen des Kriegs in der Ukraine und der mauen Aussichten für die Wirtschaft deutlich schwächere Ergebnisse.
“Der Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr wird im Bankgeschäft parallel durch den abrupten Zinsanstieg und durch die abgeschwächte Konjunktur getrübt”, sagte Andreas Martin, Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), am Dienstag zur Vorlage des Jahresabschlusses. Die Institute planten, ihre Risikovorsorge für mögliche Kreditausfälle zu erhöhen. Steigende Zinsen wirkten sich dagegen positiv auf die Zinsmargen aus. “Insgesamt rechnen wir für die genossenschaftliche Finanzgruppe mit einem deutlichen Ergebnisrückgang gegenüber dem Geschäftsjahr 2021”, erklärte Martin.
Im vergangenen Jahr bauten die Genossenschaftsbanken ihren Gewinn vor Steuern um fast 46 Prozent auf 10,5 Milliarden Euro aus. Die Institute konnten Teile ihrer Risikovorsorge für Kreditausfälle auflösen, da die Konjunktur im zweiten Pandemiejahr besser verlief als 2020. Für dieses Jahr wird dagegen derzeit eine neue Risikovorsorge von etwas über 900 Millionen Euro erwartet. Zudem hielten sich 2021 die Firmeninsolvenzen in Grenzen. Auch im operativen Geschäft legten die Banken zu. So wuchs der Provisionsüberschuss dank eines brummenden Wertpapiergeschäfts deutlich um 16,6 Prozent auf 8,7 Milliarden Euro. Der Zinsüberschuss blieb mit 18,2 Milliarden Euro nahezu stabil. Hier spürten die Geldhäuser unverändert die Tiefzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Unter dem Strich erzielten die Geldhäuser einen Gewinn von 7,5 Milliarden Euro nach 5,0 Milliarden Euro 2020.
“Damit sind wir für die Herausforderungen angesichts der Folgen des Ukraine-Kriegs und des raschen Renditeanstiegs am Kapitalmarkt gut aufgestellt und können unseren Privat- und Firmenkunden verlässlich zur Seite stehen”, erklärte BVR-Präsidentin Marija Kolak. Sorgen bereitet den Instituten die Rekordinflation. Die Verbraucherpreise waren im Juni im Euro-Raum binnen Jahresfrist um 8,6 Prozent nach oben geschossen. “Die Inflation bekäme einen neuen Schub, wenn sich die Liefereinschränkungen bei den Gasimporten noch einmal zuspitzen sollten”, sagte Kolak. “Sollte die Verfügbarkeit von Gas so stark verringert werden, dass es zu Engpässen in der Wirtschaft kommt, besteht zusätzlich auch das Risiko einer schweren Rezession”, fügte sie hinzu.
Kolak hält daher eine Zinserhöhung der EZB für überfällig. Sie forderte von den Währungshütern auf der kommenden EZB-Zinssitzung am 21. Juli einen großen Zinsschritt um 0,50 Prozentpunkte. Damit würde der Leitzins auf 0,50 Prozent hochgesetzt und der Einlagensatz auf 0,0 Prozent. Banken müssten dann keine Strafzinsen mehr zahlen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Liquidität parken.
BVR GLAUBT WEITER AN EUROPÄISCHES ZAHLUNGSSYSTEM-PROJEKT EPI
Zum stockenden europäischen Zahlungssystem-Projekt EPI sagte BVR-Vorstand Martin, aktuell gebe es sehr intensive Gespräche in der deutschen Kreditwirtschaft aber auch mit der EPI-Organisation. Die Genossenschaftsbanken hätten vorgeschlagen, sich dabei auf die Themen zu konzentrieren, für die alle Banken in Europa eine Lösung brauchten. Das seien Themen der digitalen Wallets, Echtzeit-Zahlungen, grenzüberschreitende Zahlungen von Person zu Person und die Aufnahme eines digitalen Euro. “Und eine solche Lösung ist im Moment in der Diskussion”, sagte Martin.
Dieser Vorschlag, der keine eigene EPI-Karte beinhaltet, hat Martin zufolge eine Erfolgschance abhängig von der internationalen Akzeptanz. Im Dezember hatten noch mehrere Banken bei dem EPI-Projekt auf die Bremse getreten, wodurch das Vorhaben an Rückhalt verloren hat. Mit dem Projekt European Payments Initiative (EPI) will sich Europa unabhängiger von ausländischen Zahlungsdienstleistern machen.