– von Andrea Shalal und Fransiska Nangoy und Stefanno Sulaiman
Nusa Dua (Reuters) – Der Krieg in der Ukraine hat das Treffen der G20-Finanzminister auf der indonesischen Insel Bali überschattet.
Gastgeber Indonesien warnte am Freitag vor einem Scheitern der Beratungen, in denen sich der Westen und Russland gegenseitig blockieren. Die Lebensmittelknappheit in vielen Ländern – Folge fehlender Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine – wurde von zahlreichen Teilnehmern thematisiert. Ob es bis zum Abschluss am Samstag aber konkrete Beschlüsse zur Linderung der Engpässe geben wird, blieb zunächst offen.
Indonesiens Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati sagte, es brauche konkrete Antworten gegen potenzielle Hungerkrisen und die heraufziehenden Probleme in den Lieferketten bei Düngemitteln. US-Finanzministerin Janet Yellen forderte die G20-Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer auf, Exportrestriktionen und das Hamstern von Lebensmitteln zu vermeiden. Direkte Finanzspritzen für betroffene Länder würden am ehesten helfen. Yellen wies die Schuld für die Engpässe Russland zu. Seit dem Angriff auf die Ukraine fehlt es vor allem an Weizen und anderen Getreidearten. Yellen sagte, Russlands Präsident Wladimir Putin nutze Lebensmittel als politische Waffe – Agrarflächen würden zerstört, Häfen blockiert und Getreide werde gestohlen.
Nach Angaben des ukrainischen Landwirtschaftsministeriums vom Freitag sind die Getreideexporte zum Anfang der Vermarktungssaison 2022/23 um 35,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. In den ersten sieben Juli-Tagen seien bislang 435.000 Tonnen Mais, 119.000 Tonnen Weizen und 40.000 Tonnen Gerste ausgeführt worden. Grund dafür ist die Blockade mehrerer Häfen am Schwarzen Meer, über die die Exporte normalerweise abgewickelt werden. Engpässe gibt es deswegen in Afrika und im Nahen Osten. In Europa haben die Probleme zu deutlich steigenden Preisen geführt.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte, die Weltwirtschaft werde durch den Krieg massiv zurückgeworfen. Die indonesische Zentralbank, Co-Gastgeber des G20-Treffens, warnte vor Turbulenzen an den Finanzmärkten und einer Phase der Stagflation – also fehlender Wachstumsraten bei gleichzeitig hoher Inflation.
DIREKTE KONFRONTATION MIT RUSSLAND DIESES MAL
Symbolische Proteste gegen Russland gab es dieses Mal nicht. Beim G20-Finanzministertreffen im April hatten einige Teilnehmer noch demonstrativ den Raum verlassen, als russische Vertreter sprachen. Einem westlichen Regierungsvertreter zufolge hat die kanadische Finanzministerin Chrystia Freeland russischen Teilnehmern gesagt, sie seien persönlich für Kriegsverbrechen mitverantwortlich. Der Krieg sei momentan auch die größte Bedrohung für die Weltwirtschaft. Yellen hatte sich für die USA ähnlich geäußert. Der russische Finanzminister Anton Siluanow nahm einem Insider zufolge nur virtuell an dem Treffen teil, vor Ort war allerdings sein Stellvertreter.
Bei den jetzigen G20-Verhandlungen geht es auch um die Entschuldung armer Länder, die Vorbereitung auf künftige Pandemien sowie die Bekämpfung der Inflation. Allerdings blockieren sich Russland und der Westen. China, Indien und Südafrika – also wichtige Schwellenländer – treten Russland gegenüber wesentlich zurückhaltender auf.
Im April hatte es in Washington keine gemeinsame G20-Abschlusserklärung der Finanzminister gegeben. Deutschen Regierungsvertretern zufolge wird es auch jetzt extrem schwierig – vor allem wegen unterschiedlicher Bewertungen der Kriegsfolgen und der westlichen Sanktionen gegen Russland.
(Geschrieben von Christian Krämer, redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)