Hoffnung auf Abkommen zu ukrainischen Getreideexporten

– von Ezgi Erkoyun und Max Hunder

Istanbul/Kiew (Reuters) – Die Aussicht auf eine Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine zu Getreide-Exporten über das Schwarze Meer schürt Hoffnungen auf eine Entspannung der Nahrungsmittelkrise in vielen Ländern. Die Vereinten Nationen (UN) teilten am Freitag mit, das Abkommen solle um 16.30 Uhr Ortszeit (15.30 Uhr MESZ) in Istanbul unterzeichnet werden. Das russische Präsidialamt erklärte, Verteidigungsminister Sergej Schoigu werde zur Unterzeichnung in der Türkei sein. Aus der Ukraine wird Insidern zufolge der Infrastrukturminister erwartet. Eine offizielle Bestätigung der Regierung in Kiew stand noch aus. Präsident Wolodymyr Selenskyj deutete aber an, dass die ukrainischen Schwarzmeer-Häfen bald wieder geöffnet werden könnten.

Laut der türkischen Regierung soll der Termin im Beisein von Präsident Recep Tayyip Erdogan im Istanbuler Dolmabahce-Palast stattfinden. Die Türkei hatte die Pläne bereits am Donnerstag angekündigt. Die UN teilten weiter mit, neben Vertretern Russlands und der Ukraine werde auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres an der Zeremonie teilnehmen. Das Außenministerium in Kiew sprach am Donnerstagabend noch von weiteren von den UN geleiteten Gesprächen in der Türkei. Selenskyj sagte in einer Videoansprache, am Freitag sei mit Blick auf eine Aufhebung der Hafenblockade mit Nachrichten der Türkei zu rechnen.

Die UN und die Türkei bemühen sich seit zwei Monaten um ein von Guterres als “Paket” bezeichnetes Abkommen, das die Wiederaufnahme ukrainischer Getreideexporte aus dem Schwarzmeerraum und die Erleichterung russischer Getreide- und Düngemittellieferungen vorsieht. Beide Länder gehören in diesem Bereich zu den wichtigsten Exporteuren. Die Blockade ukrainischer Häfen durch die russische Schwarzmeerflotte und westliche Sanktionen gegen Russland haben weltweite Lieferengpässe verschärft, die Lebensmittel- und Energiepreise schossen in die Höhe.

TASS: HAFEN VON ODESSA WIRD WIEDER GEÖFFNET

Details des geplanten Abkommens waren zunächst noch nicht bekannt. Russlands staatseigene Nachrichtenagentur Tass meldete aber, dass drei ukrainische Häfen – darunter Odessa – wieder geöffnet werden sollten. In den Silos im Hafen von Odessa stehen rund 20 Millionen Tonnen Getreide zur Ausfuhr bereit, Dutzende Schiffe sitzen fest. Die USA begrüßten die sich abzeichnende Übereinkunft und betonten, dass Russland die Vereinbarungen auch umsetzen müsse. Die Regierung in Moskau weist Vorwürfe zurück, für die Verschärfung der Lebensmittelkrise verantwortlich zu sein. Sie kritisiert den Westen für Sanktionen und die Ukraine für das Verminen von Zufahrten zu russischen Schwarzmeerhäfen.

Das russische Außenministerium hatte während der Vorbereitungen zu der Vereinbarung erklärt, die EU habe die Lockerung einiger Sanktionen in Aussicht gestellt. Laut Diplomaten geht es bei der Übereinkunft unter anderem um eine sichere Passage für ukrainische Getreideschiffe durch verminte Hafengewässer. Zudem solle die Türkei mit Unterstützung der UN Frachter inspizieren, um russische Bedenken über Waffenschmuggel zu zerstreuen. Das Nato-Mitglied Türkei unterhält gute Beziehungen sowohl zu Russland als auch zur Ukraine.

Russland war am 24. Februar in die benachbarte Ex-Sowjetrepublik einmarschiert und hat sein Vorgehen als Spezialeinsatz mit dem Ziel bezeichnet, militärische Kapazitäten zu zerstören sowie gegen als gefährlich eingestufte Nationalisten vorzugehen. Die Ukraine und ihre Verbündeten sprechen von einem Angriffskrieg.

(Unter Mitarbeit von Orhan Coskun in Ankara sowie Emma Farge in Genf, geschrieben von Elke Ahlswede, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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