Staat stützt Uniper und Ärmere – “You’ll never walk alone”

– von Markus Wacket und Matthias Inverardi und Andreas Rinke

Düsseldorf/Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung greift in der Gas-Krise Unternehmen wie dem Importeur Uniper, aber auch ärmeren Haushalten mit Milliarden unter die Arme.

“Dass wir zusammenhalten, ist entscheidend”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag in Berlin mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Die Probleme der nächsten Jahre würden gemeistert, der Staat helfe. “Wir werden es solange tun, wie es erforderlich ist.” Er zitierte den Fan-Song des FC Liverpool: “You’ll never walk alone.” Zunächst stützt der Bund die angeschlagene Uniper mit 15 Milliarden Euro und steigt dort mit 30 Prozent ein. Ab Herbst sollen alle Gas-Importeure einen Teil ihrer rasant gestiegenen Einkaufspreise trotz bestehender Verträge auf Kunden abwälzen können. Laut Scholz wird das einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt nochmals bis zu 300 Euro zusätzlich kosten. Parallel würden Ärmere aber über eine Wohngeldreform entlastet.

Russland liefert derzeit nur 40 Prozent der vereinbarten Gasmenge, was zu rasant gestiegenen Preisen geführt hat. Im Winter droht Gas-Knappheit. Deutschlands größter Gas-Importeur Uniper muss die fehlenden Mengen kurzfristig und teuer am Markt kaufen, kann die Kosten aber wegen laufender Verträge bisher nicht weitergeben. Bis September liefen dadurch Verluste von voraussichtlich 6,2 Milliarden Euro auf, erklärte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach. “Wir müssen die Blutung stoppen.”

Scholz attestierte dem Unternehmen “überragende Bedeutung” für Deutschland. Der Bund übernimmt daher 30 Prozent an Uniper mit einem hohen Preisabschlag, stellt dem Unternehmen über eine Wandelanleihe bis zu 7,7 Milliarden Euro zur Verfügung und stockt einen Kredit der Staatsbank KfW um sieben auf neun Milliarden Euro auf, um die erwarteten Verluste zu decken. Scholz äußerte die Hoffnung, dass die Rettung von Uniper wie die der Lufthansa in der Corona-Krise für den Steuerzahler am Ende eine Erfolgsgeschichte werden könne. Die Uniper-Aktie brach angesichts des hohen Rabatts für den Staat beim Einstieg um ein Drittel auf ein Rekordtief von knapp sieben Euro ein. Der Bund zahlt nur jeweils 1,70 Euro für seine Aktien.

Durch die Staatsbeteiligung reduziert sich der Anteil des finnischen Mutterkonzerns Fortum von 80 Prozent auf 56 Prozent. Die Finnen hatten sich geweigert, zusätzliches Geld für Uniper zu geben. Im Gegenzug darf Uniper in nächster Zeit keine Dividenden ausschütten, die Gehälter des Vorstands werden gedeckelt. Zudem muss das Düsseldorfer Unternehmen eine Klage gegen den niederländischen Staat zurücknehmen, wo sich Uniper durch Regelungen zum Kohle-Ausstieg benachteiligt gefühlt hatte.

UNIPER SCHREIBT JEDEN TAG ROTE ZAHLEN

Da aber täglich weitere Verluste auflaufen, will die Bundesregierung Uniper und anderen Importeuren wie VNG oder RWE ab September oder Oktober eine Weitergabe der Kosten an Kunden wie Stadtwerke oder Industrie ermöglichen. 90 Prozent der Kosten der Ersatz-Beschaffung des Gases, das aus Russland ausbleibt, sollen so gleichmäßig auf alle Verbraucher verteilt werden – auch wenn sie noch günstigere Verträge haben. Scholz rechnete vor, dies werde einen Haushalt mit vier Personen mit 200 bis 300 Euro zusätzlich belasten. Bereits die regulären Preiserhöhungen nach den laufenden Verträgen haben häufig zu einer Verdreifachung der Gas-Kosten gegenüber Vorkrisen-Zeiten geführt.

Wie die Umlage im Detail aussehen wird, muss die Regierung noch ausarbeiten. Das Energie-Sicherheitsgesetz (Ensig) lässt ihr dafür viel Spielraum. Der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) verlangte schnelles Handeln. “Sie muss einfach, praktikabel und rechtssicher erhoben werden können”, sagte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. Sie sollte von allen Endverbrauchern ohne Bevorzugung bestimmter Kundengruppen erhoben werden. Der Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU), dem viele Stadtwerke angehören, warnte davor, es dürfe keine zeitliche Lücke zwischen den Preiserhöhungen für die Haushalte und deren Entlastung entstehen.

Scholz sagte, ihm sei klar, dass viele Haushalte die Mehrkosten nicht tragen könnten. Daher werde Anfang nächstes Jahres eine Wohngeldreform greifen, die deutlich mehr Menschen zugutekomme als jetzt. Darin werde es auch eine Heizkostenpauschale geben. Zudem werde ab 2023 ein Bürgergeld eingeführt, das die Hartz-IV-Regelungen ersetzen soll. Der Kündigungsschutz für Mieter oder Energiekunden werde überprüft. Deren Verträge sollten nicht gekündigt werden können, wenn sie wegen der hohen Energiepreisen nicht mehr zahlen können. “Niemand wird alleine in die Zukunft gehen müssen”, versprach der Bundeskanzler.

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