Berlin (Reuters) – Weniger Aufträge und Materialmangel, weniger Nachfrage und hohe Energiepreise: Die Folgen des Ukraine-Kriegs belasten deutsche Baufirmen und sorgen für ein Ende des langjährigen Booms.
Wegen der Gaskrise befürchtet die Branche sogar vermehrt Firmenpleiten. “Wir werden sicherlich einen Zuwachs sehen”, sagte Chefökonom Andreas Geyer von der Bundesvereinigung Bauwirtschaft (BVB) am Donnerstag in Berlin. Die Insolvenzen seien dank der positiven Entwicklung zehn Jahre lang gesunken. “Der Tiefpunkt dürfte mit Sicherheit erreicht sein.” Denn den Betrieben falle es schwer, die enorm gestiegenen Energiekosten an ihre Kunden weiterzureichen. Klammert man die höheren Baupreise aus, dürften die realen Erlöse in diesem Jahr um ein bis zwei Prozent zum Vorjahr sinken. Aus heutiger Sicht erwartet der Verband auch 2023 inflationsbereinigt kein Umsatzplus.
Insolvenzen befürchtet die BVB vor allem bei Herstellern von Baustoffen wie Ziegel- oder Kalksteinen. Denn diese Firmen ächzen besonders stark unter den höheren Preisen, weil sie energieintensiv produzieren. Auch die Beschaffung von Baustoff stelle viele Branchenfirmen vor große Probleme, sagte der BVB-Vorsitzende Marcus Nachbauer in Berlin. “Just in time – wie wir es in der Vor-Corona-Zeit kannten – findet nicht mehr statt.” Für Impulse sorge die Nachfrage bei Sanierungen, während der Neubau an Fahrt verliere. “Insgesamt bleiben Bautätigkeit und Umsatz damit noch auf hohem Niveau.” Jedoch signalisierten der Rückgang beim Neugeschäft und Abbau der Auftragspolster weniger Neubautätigkeit für 2023. Die aktuellen Förderbedingungen sowie die hohe Inflation ließen vermuten, dass die Sparte Sanierungen die Einbußen im Neubau nicht ausgleichen könne.
INFLATION UND HOHE BAUPREISE SCHRECKEN HÄUSLEBAUER AB
Die deutlich teureren Preise für Material und Energie bremsen die Baunachfrage. Die Baupreise vor allem im Wohnungsbau liegen laut BVB im Schnitt rund 16 Prozent über dem Vorjahr. Private Häuslebauer, Unternehmen und die Kommunen seien inzwischen vorsichtiger, sagte Nachbauer. “Die Investitionsbudgets der Auftraggeber für Maßnahmen im Wohnungsbau, im Gewerbebau und der Infrastruktur reichen schlicht nicht mehr aus.” Institutionelle Anleger zögen ihre Projekte aber eher noch durch, während Häuslebauer mit ihrem Geld zunehmend an Grenzen stießen.
Der Verband vertritt die Interessen von rund 370.000 Betrieben der deutschen Bau- und Ausbauwirtschaft. Dies umfasst nicht nur die klassischen Baufirmen, sondern auch Gewerke wie Maler, Klempner, Dachdecker oder Gerüstebauer. Der gesamte Bereich hat rund 3,4 Millionen Beschäftigte.
Wegen der Inflation und den hohen Energiekosten planen Menschen in Deutschland einer Studie zufolge bereits weniger Geld für die Kaltmiete einer neuen Wohnung ein. Um die höheren Belastungen bewältigen zu können, machten Wohnungssuchende Abstriche beim neuen Zuhause und kalkulierten weniger ihres verfügbaren Einkommens für die Miete ein als noch vor einem Jahr, wie aus einer Analyse des Online-Portals ImmoScout24 hervorgeht. “Wenn die allgemeinen Lebenskosten steigen, bleibt weniger für die Miete übrig”, sagte ImmoScout24-Geschäftsführer Thomas Schroeter. “Bei gleichzeitig steigenden Angebotsmieten suchen die Menschen vermehrt nach kleineren Wohnungen oder außerhalb der Metropolen und Ballungszentren.”
(Bericht von Klaus Lauer; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)