EZB-Direktor Panetta warnt vor zu aggressivem Zinserhöhungskurs

Frankfurt (Reuters) – Die EZB sollte aus Sicht von Notenbankdirektor Fabio Panetta auf ihrem Zinserhöhungskurs nicht zu aggressiv voranschreiten.

Solange die Inflationserwartungen in der Spur bleiben, solle die Geldpolitik adjustieren aber nicht überreagieren, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsgremiums der Europäischen Zentralbank (EZB) am Montag auf einem Finanzkongress in Florenz laut Redetext. Angesichts der bestehenden Unsicherheit müsse eine Kalibrierung der Geldpolitik auf wirtschaftlichen Evidenzen fußen und sich auf den mittelfristigen Inflationsausblick konzentrieren. “Und nach den Fortschritten, die wir bereits bei der Anpassung unseres geldpolitischen Kurses erzielt haben, ist eine aggressive Straffung nicht ratsam”, führte er aus.

Die EZB strebt zwei Prozent Inflation als Idealwert für die Wirtschaft im Euro-Raum an. Davon ist sie aber momentan weit entfernt: Im Oktober lag die Inflationsrate bei 10,7 Prozent – der höchste Wert seit Beginn der Währungsunion. Dagegen stehen die langfristigen Inflationserwartungen am Finanzmarkt, wenn ein zentrales Euro-Inflationsbarometer zugrunde gelegt wird, bei 2,36 Prozent und damit nur leicht über der EZB-Zielmarke.

Panetta ist besorgt, dass ein übermäßig scharfer Zinserhöhungskurs zu stark die Konjunktur bremsen könnte, die schon infolge der durch den Ukraine-Krieg auslösten Energiekrise deutlich geschwächt ist. “Wenn wir die Nachfrage übermäßig und anhaltend drosseln würden, dann würden wir Gefahr laufen, auch die Wirtschaftsleistung dauerhaft unter den Trend zu drücken”, warnte Panetta. Und dies könne durch eine anschließende geldpolitische Lockerung nicht leicht rückgängig gemacht werden. “Nicht zuletzt deshalb, weil Expansionen Angebot nicht so stark wiederherstellen wie Kontraktionen es zerstören”, führte er aus. Die Geldpolitik dürfe das Risiko einer zu starken Straffung nicht ignorieren.

Die Währungshüter der EZB hatten zuletzt im September und im Oktober in Jumbo-Zinsschritten die Schlüsselzinsen jeweils um ungewöhnlich kräftige 0,75 Prozentpunkte angehoben. Der Leitzins im Euro-Raum, zu dem sich Banken Geld bei der Notenbank leihen, liegt inzwischen bei 2,0 Prozent. Der Einlagenzins, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten und der an den Finanzmärkten aktuell der wichtigste Zins ist, steht mittlerweile bei 1,5 Prozent. Die nächste Zinssitzung, die letzte in diesem Jahr, ist am 15. Dezember. An den Börsen schwankt die Erwartung derzeit zwischen einer Erhöhung um 0,50 Prozent und einem dritten Mammut-Zinsschritt in Folge von 0,75 Prozent.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2022binary_LYNXMPEIAD0G7-VIEWIMAGE