Scholz – EU-Asean-Kooperation wichtig für Diversifizierung

Berlin/Brüssel (Reuters) – In einer engeren Zusammenarbeit der EU mit dem asiatischen Staatenbund Asean sieht Bundeskanzler Olaf Scholz eine gemeinsame Chance der Diversifizierung von China.

“Gemeinsam haben die zehn Asean-Staaten 670 Millionen Einwohner – wir in der EU sind 450 Millionen”, sagte Scholz vor dem Gipfeltreffen in Brüssel am Mittwoch im Bundestag. Allein diese Zahlen zeigten, dass die Annahme einer künftig bipolaren Welt um China und die USA völlig falsch sei. “Wir müssen nicht nur unsere Lieferketten diversifizieren, sondern auch unsere Verbindungen in alle Teile der Welt”, betonte er. Deutschland brauche “enge und vertrauensvolle Partnerschaften, besonders mit den aufstrebenden Nationen in Asien, in Afrika, in Lateinamerika und in der Karibik”.

Scholz reiste am Mittag zu einem zweitägigen EU-Gipfel nach Brüssel. Am Mittwoch steht dabei das Treffen mit den Asean-Ländern im Mittelpunkt, zu denen etwa Indonesien und Vietnam gehören. Am Donnerstag werden die 27 EU-Staats- und Regierungschefinnen und -chefs dann untereinander etwa über weitere Ukraine-Hilfen, Erweiterungsfragen oder einen EU-Gaspreisdeckel sprechen.

Bei den Treffen mit den südostasiatischen Staaten will die EU auch versuchen, eine möglichst gemeinsame Russland-kritische Erklärung zu verabschieden. “In dem aggressiven Krieg gegen die Ukraine hoffen wir natürlich, so viele Asean-Länder wie möglich auf unsere Seite zu bekommen, um diesen Krieg zu verurteilen”, sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte vor den Beratungen. Man wolle über weltweite Lieferketten und das gemeinsame Wachstumspotenzial sprechen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, dass die Union bis 2027 Mittel in Höhe von zehn Milliarden Euro für Investitionen in Projekte in der Asean-Region bereitstellen will, etwa in den Bereichen erneuerbare Energien und nachhaltige Landwirtschaft. “Wir sehen eine große Nachfrage in der Region, ihre Investitionsquellen zu diversifizieren und mit zuverlässigen Partnern zusammenzuarbeiten”, sagte ein EU-Beamter über die Situation dort. In Brüssel sollen unter anderem auch EU-Partnerschafts- und -Kooperationsvereinbarungen mit Thailand und Malaysia geschlossen werden.

Mit dem Aufstieg Chinas zur Weltmacht müssten alle zurechtkommen, sagte Scholz in Berlin. “Dabei wäre es falsch, ‘Zurechtkommen’ mit ‘Abkoppeln’ zu übersetzen – mit ‘decoupling’ oder gar ‘Deglobalisierung’.” Als Wirtschafts- und Handelspartner bleibe China wichtig. Man müsse über viele globale Fragen mit Peking sprechen. Allerdings müsse sich China an internationales Recht halten. Mit Sorge verfolge man die Spannungen im südchinesischen Meer und um Taiwan.

SCHOLZ BREMST BEI GASPREISDECKEL

In der Debatte über einen EU-Gaspreisdeckel, der am Donnerstag auf dem EU-Gipfel diskutiert werden dürfte, warnte Scholz, dass die Versorgungssicherheit nicht gefährdet werden dürfe. “Wir können nicht so in Preise eingreifen, dass dann zu wenig Gas nach Europa geliefert wird”, betonte er. Diese Einsicht sei wichtig für eine Verständigung in der EU. Er sei sicher, dass man zu einer guten, pragmatischen Lösung kommen werde. Die EU-Energieminister hatten sich am Dienstag erneut nicht auf einen europaweiten Gaspreisdeckel verständigen können. Dafür sind unter anderem Griechenland, Belgien, Polen und Italien. Skeptisch sind etwa Deutschland und die Niederlande.

Mit Blick auf die Erweiterung der Union drang Scholz erneut auf eine schnellere Heranführung der sechs Westbalkan-Staaten an die EU. Es sei gut, dass Bosnien-Herzegowina nun einen Kandidatenstatus erhalten habe. Zudem sei es im deutschen Interesse, dass auch die EU-Länder Rumänien und Bulgarien bald in den Schengen-Raum für kontrollfreies Reisen aufgenommen würden. Österreich hatte dies zuletzt verhindert.

(Bericht von Andreas Rinke, Philip Blenkinsop, Benoit Van Overstraeten; redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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