Mehr als jede zweite Wohnungsbaufirma beklagt Auftragsmangel

Berlin (Reuters) – Der Auftragsmangel im deutschen Wohnungsbau hat im November deutlich zugenommen.

54,0 Prozent der Unternehmen berichteten davon, nach 49,9 Prozent im Oktober, wie das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag zu seiner Umfrage mitteilte. “Die Krise im Wohnungsbau ist inzwischen chronisch geworden”, sagte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe. “Ohne neue Impulse droht eine dauerhafte Lücke bei dringend benötigtem Wohnraum.”

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) bezifferte die Neubaulücke auf etwa 600.000 Wohnungen. Ohne Extra-Anstrengungen werde diese bis 2027 auf bis zu 870.000 steigen, warnte der Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft. Wegen überlanger Planungs- und Genehmigungszeiten sowie gestiegener Bau- und Finanzierungskosten sei “bezahlbarer Wohnungsbau kaum umzusetzen”, sagte Präsidentin Iris Schöberl. Die Kostenmiete – also der Betrag, den es braucht, um Bau- und Grundstückskosten zu refinanzieren – belaufe sich aktuell auf etwa 21 Euro pro Quadratmeter. “Das ist für viele Menschen einfach nicht bezahlbar”, sagte Schöberl. Die Lobby fordert beispielsweise, Anforderungen durch DIN-Normen und Vorgaben zur Energieeffizienz herunterzuschrauben.

STIMMUNG TRÜBT SICH EIN

Auch das Geschäftsklima im Wohnungsbau hat sich verschlechtert, nachdem es sich im Oktober noch aufgehellt hatte. Diesmal beurteilten die Unternehmen sowohl die aktuelle Lage als auch die Aussichten für die kommenden Monate wieder schlechter. Der Anteil der stornierten Aufträge sank hingegen leicht, und zwar von 11,8 auf 10,5 Prozent. Dies ist der niedrigste Wert seit April 2022, als die Stornierungen merklich anstiegen. “Trotz gesunkener Zinsen bleiben große Herausforderungen im Wohnungsbau”, betonte Ifo-Experte Wohlrabe.

Experten zufolge dürfte die Bundesregierung ihr Wohnungsbauziel weiterhin deutlich verfehlen. Sie strebt eigentlich 400.000 Einheiten im Jahr an. “Das aktuelle Niveau der Baugenehmigungen entspricht nur rund 200.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr”, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, kürzlich voraus. “Eine Trendwende beim deutschen Wohnungsbau ist frühestens im späteren Jahresverlauf 2025 zu erwarten.”

Dann sollte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen spürbar gesenkt haben und die gelockerte Geldpolitik auch auf die Baunachfrage durchschlagen. Die Notenbank dürfte kommende Woche ihre Zinsen zum vierten Mal in diesem Jahr kappen. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz dürfte von 3,25 auf 3,00 Prozent fallen, sagen von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen voraus.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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