Tel Aviv (Reuters) – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist am Dienstag persönlich zu seinem Korruptionsprozess vor Gericht erschienen.
Er soll im Laufe des Dienstags erstmals selbst in dem Verfahren aussagen. Netanjahu werden Bestechung, Betrug und Untreue vorgeworfen. Er bestreitet jegliches Fehlverhalten. Angeklagt wurde er 2019, der Prozess begann 2020. Es könnte noch Monate bis zu einem Urteil dauern. Wegen des Krieges im Gazastreifen, der vor gut einem Jahr begann, hatte Netanjahu Aufschub erhalten. Am vergangenen Donnerstag ordneten die Richter jedoch an, dass er mit seiner Aussage beginnen müsse. Trotz der schwierigen geopolitischen Lage seien drei Termine in der Woche angesetzt, teilte das Gericht mit.
Vor dem Gericht in Tel Aviv hatten sich mehrere Dutzend Demonstranten versammelt, als Netanjahu am Vormittag das Gebäude betrat. Einige von ihnen forderten den Regierungschef auf, mehr zu unternehmen, um eine Freilassung der verbliebenen Geiseln im Gazastreifen zu verhandeln.
Netanjahus juristische Verfahren hatten Israel vor dem Krieg tief gespalten. Der Versuch der Regierung im vergangenen Jahr, die Justiz einzuschränken, riss die Gräben noch tiefer auf. Der Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und der darauffolgende Krieg drängten Netanjahus Prozess jedoch in den Hintergrund. Auf einer Pressekonferenz am späten Montagabend erklärte Netanjahu, er habe acht Jahre darauf gewartet, seine Sicht der Dinge zu erzählen. Zudem kritisierte er die Art und Weise, wie Zeugen während der Ermittlungen behandelt worden seien.
Nach israelischem Recht ist Netanjahu nicht verpflichtet zurückzutreten, solange es noch kein Urteil gibt. Bei Bestechung drohen bis zu zehn Jahre Haft, bei Betrug und Untreue bis zu drei Jahre. Der 75-Jährige ist seit 2009 fast ununterbrochen an der Macht. Er ist der am längsten amtierende Regierungschef Israels und der erste amtierende Ministerpräsident, der wegen eines Verbrechensvorwurfs angeklagt wurde. Im vergangenen Monat erließ zudem der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl gegen Netanjahu und den früheren Verteidigungsminister Joaw Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg.
(Bericht von Maayan Lubell, geschrieben von Kerstin Dörr und Christian Rüttger, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)