Heil gegen Lohnstreichung am ersten Krankheitstag

Berlin (Reuters) – Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat sich gegen eine Streichung der Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag gestellt.

Der SPD-Politiker wies am Donnerstag einen entsprechenden Vorschlag des Vorstandschefs des Versicherungskonzerns Allianz, Oliver Bäte, zurück. Damit stelle man krankgemeldete Beschäftigte unter den Generalverdacht des Blaumachens, warf Heil in einem Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) dem Manager vor: “Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einzuschränken, wird es mit mir und der SPD nicht geben.”

Ein Arbeitgeber, der den Verdacht habe, dass jemand blaumache, könne auch ab dem ersten Tag das Vorlegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen, sagte Heil. “Wer beim Blaumachen erwischt wird, muss außerdem mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.”

Bäte hatte im “Handelsblatt” vorgeschlagen, einen Karenztag einzuführen. Die Kosten für den ersten Krankheitstag müssten Beschäftigte durch Lohnausfall dann selbst tragen. Derzeit kommen die Arbeitgeber in den ersten sechs Krankweitswochen für die Fortzahlung des Lohns in voller Höhe auf. Dies ist gesetzlich festgeschrieben, aber auch Teil vieler Tarifverträge.

Auch das gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Institut wandte sich gegen Einschränkungen der Lohnfortzahlung. Deren Sozialexperte Eike Windscheid-Profeta verwies darauf, dass die Krankenstände über die Jahre immer wieder schwankten, ohne dass sich an den gesetzlichen Regelungen etwas geändert habe. Es sei nicht plausibel, dass das Hoch beim Krankenstand in Deutschland daran liege, dass Beschäftigte die Regelungen zur Lohnfortzahlung ausnutzten. Für den Anstieg der Fehlzeiten seien unter anderem psychische Erkrankungen verantwortlich, die mit besonders langen Ausfallzeiten verbunden seien. Zugleich würden Krankheitstage mit der Digitalisierung umfangreicher erfasst.

CDU-POLITIKER: “LASSE MICH NICHT ERNEUT INS BOCKSHORN JAGEN”

Der CDU-Politiker und nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann lehnte ebenso einen Karenztag ab. “Ich bin da ein gebranntes Kind”, sagte Laumann der “Rheinischen Post”. “Ich habe als Bundestagsabgeordneter mal für ihre Einführung gestimmt. Dann hat die IG Metall mit Zustimmung der Arbeitgeber die Karenztage per Tarifvertrag für ihre Branchen kassiert. Damals habe ich mir geschworen: Ich lass mich nicht noch einmal bei diesem Thema ins Bockshorn jagen.”

Die vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) geführte CDU-FDP-Regierung hatte 1996 im Rahmen eines Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung den gesetzlichen Lohnfortzahlungs-Anspruch auf 80 Prozent statt 100 Prozent des Lohns verringert. Nach langen Auseinandersetzungen hebelten IG Metall und die Arbeitgeber der niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie im Dezember 1996 die Gesetzesregelung aus und vereinbarten tariflich die 100-prozentige Entgeltfortzahlung, unabhängig von der jeweiligen gesetzlichen Regelung. Die 1998 gebildete rot-grüne Bundesregierung hob die Gesetzesänderung 1999 auf und kehrte zur 100-prozentigen Fortzahlung auch im Gesetz zurück.

(Bericht von Holger Hansen Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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