EZB strebt laut ihrem Chefvolkswirt mit Zinssenkungen ein Mittelfeld an

Frankfurt (Reuters) – Die EZB muss laut Chefvolkswirt Philip Lane mit ihren Zinssenkungen ein Mittelfeld ansteuern, um die Inflation in Schach zu halten und nicht noch die aktuelle Konjunkturschwäche zu verstärken.

Sie müsse sicherstellen, dass sich die Zinssätze am Mittelfeld orientieren, sagte Lane in einem am Montag veröffentlichten Interview der österreichischen Zeitung “Der Standard”. “Wenn sie zu schnell fallen, wird es schwierig, die Teuerung im Dienstleistungssektor in den Griff zu bekommen”, sagte er. Die Europäische Zentralbank (EZB) wolle aber auch nicht, dass die Sätze zu lange zu hoch bleiben. Denn dann würde sich die Inflation so stark abschwächen, dass die Teuerung deutlich unter den EZB-Zielwert von zwei Prozent fallen könnte. “Das ist auch nicht wünschenswert.”

Die EZB hatte 2024 viermal die Zinsen gesenkt – zuletzt im Dezember um 0,25 Prozent. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, zu dem Geldhäuser bei der Notenbank ihr Geld horten können und der mittlerweile als Leitzins für die Euro-Zone gilt, liegt aktuell bei 3,00 Prozent. Führende Währungshüter hatten angesichts der schwachen Konjunktur in der 20-Länder-Gemeinschaft bereits weitere Zinssenkungen angedeutet. Das nächste EZB-Zinstreffen ist am 30. Januar.

“Wir sind der Ansicht, dass der Inflationsdruck in diesem Jahr weiter nachlassen wird”, sagte Lane. Im Blick hat der oberste Ökonom der Notenbank unter anderem die Entwicklung der Löhne im Euroraum. Diese waren 2023 und 2024 stark gestiegen und einer der wichtigsten Inflationstreiber. “Nach unseren Informationen werden die Gehaltszuwächse 2025 aber deutlich niedriger ausfallen”, sagte Lane. Damit werde die Inflation weiter zurückgehen. “Wir müssen aber auch sicherstellen, dass die Wirtschaft nicht zu langsam wächst, denn dann hätten wir ein neues Problem, nämlich, dass die Inflation sich unter dem Ziel stabilisiert”, ergänzte er.

Die Tariflöhne waren noch im dritten Quartal 2024 deutlich um 5,42 Prozent gestiegen. Besonders kräftig war Lohnwachstum in Deutschland. Im zweiten Jahresviertel 2024 hatten die Löne im Währungsraum um 3,54 Prozent zugelegt. Als vereinbar mit dem EZB-Inflationsziel gilt ein Lohnwachstum von rund 3,0 Prozent.

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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