Scholz attackiert Union: Entlastungsversprechen nicht finanzierbar

Bielefeld/Lünen (Reuters) – Bundeskanzler Olaf Scholz hat zum Auftakt der heißen Wahlkampfphase der Union Wählertäuschung vorgeworfen.

Die Union erkläre, man könne die von ihr versprochenen Steuersenkungen auch durch das anvisierte Wirtschaftswachstum von zwei Prozent finanzieren. “Glauben Sie nicht, wenn einer sagt, das kommt mit Wirtschaftswachstum. Das ist Quatsch. Das stimmt nicht. So viel Wirtschaftswachstum können wir uns alle wünschen, ich auch, aber das kommt nicht”, sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Montag bei einem Bürgerdialog seiner Partei in Bielefeld. “Und das heißt, es wird jemand die Zeche bezahlen”, fügte er in Anspielung auf Kürzungen im Sozialbereich hinzu. In einer weiteren Veranstaltung im nordrhein-westfälischen Lünen warf Scholz der Union vor, ganz bewusst riesige Löcher im Bundeshaushalt zu riskieren, um vor allem Besserverdienende zu entlasten. “Die wollen es wirklich mit den Kratern im Haushalt. Und sie sagen nicht, wer es zahlt.”

Die SPD, aber auch die Grünen werfen CDU und CSU vor, dass sie Entlastungen in Höhe von 100 Milliarden Euro im Jahr versprechen, aber kein Konzept der Gegenfinanzierung vorlegen. “Das kann nicht funktionieren”, sagte Scholz, der eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Besserverdienende erneut ablehnte. Die Union argumentiert in ihrem “Agenda 2030”-Papier, dass schrittweise Steuersenkungen durch mögliche Einsparungen beim Bürgergeld und der Migrationskosten sowie ein angestrebtes Wachstum von zwei Prozent möglich seien. Die SPD will laut Wahlprogramm 95 Prozent der Steuerzahler entlasten, aber Bezieher sehr hoher Einkommen und Vermögen stärker belasten. Es sei mehr Solidarität nötig, sagte Scholz am Montag.

Scholz bekräftigte seinen Vorwurf, die Union plane letztlich eine Rentenkürzung. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte dies vehement zurückgewiesen und betont, es gebe keine Kürzung. “Jetzt folgen die Renten den Löhnen, mehr oder weniger”, sagte der SPD-Politiker. Wenn man das Rentenniveau nicht garantiere wie die SPD dies anstrebe, dann stiegen die Renten langsamer als die Löhne, die Rentner würden schrittweise abgekoppelt, obwohl das Leben immer teurer werde. “Eine Rentengarantie gibt es mit mir”, betonte Scholz.

In den Parteiveranstaltungen unterstrich der Kanzler aber auch, dass man im Wahlkampf nicht alle Forderungen erfüllen könne, sondern ehrlich zu den Bürgern sein müsse. “Das Bürgergeld ist eine Unterstützungsleistung dafür, dass man zurechtkommt, weil man keine Arbeit hat.” Eltern in Arbeit zu bringen, sei die beste Maßnahme gegen Kinderarmut.

Der SPD-Politiker sagte auf Nachfrage zudem, dass er keine Möglichkeit sehe, für Millionen Bezieher von Direktversicherungen den Zwang zur Nachzahlungen an Krankenkassen wieder vollständig zu streichen. Denkbar sei nur, dass man den monatlichen Freibetrag etwas anhebe, sagte Scholz. “Aber gleichzeitig muss man auch so ehrlich sein: Eine Rückabwicklung nach den vielen Jahren würde Milliarden zusätzlicher Rückzahlungen aus den Krankenversicherungsmitteln bedeuten und eine Beitragserhöhung in einer Größenordnung für sehr, sehr viele bedeuten”, warnte er. “Das ist natürlich etwas, was niemand realistisch versprechen kann.” Scholz sprach von Kosten von weit mehr als zehn Milliarden Euro.

Der Kanzler bekräftigte, dass seine Regierung noch vor der Wahl am 23. Februar einen Gesetzentwurf zur Entschuldung von Kommunen einbringen wolle. Diese sogenannte Altschulden-Regel werde wahrscheinlich nicht mehr vor der Wahl beschlossen, zeige aber den richtigen Weg auf.

Scholz zeigte in zwei Punkten Selbstkritik: Zum einen hätte er die Ampel-Koalition früher beenden sollen. Auf die Frage, was er in einer zweiten Amtszeit besser machen wolle, sagte der SPD-Politiker zudem, dass man die Ziele politischer Reformen früher und klarer erklären müsse.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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