EZB trotz Trumps Zolldrohungen vor Zinssenkungen: “Richtung ist sehr klar”

Frankfurt (Reuters) – Die Europäische Zentralbank steuert ungeachtet der Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump auf weitere Zinssenkungen zu.

EZB-Chefin Christine Lagarde erklärte am Mittwoch am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos, derzeit seien schrittweise Zinsbewegungen im Kalkül. “Die Richtung ist sehr klar. Das Tempo, das wir sehen werden, hängt von den Daten ab, aber eine allmähliche Bewegung ist im Moment sicherlich etwas, was einem in den Sinn kommt”, sagte sie dem Sender CNBC. EZB-Ratsmitglied Klaas Knot wurde konkreter: Der Niederländer sieht die EZB im Einklang mit den Einschätzungen der Investoren auf dem Weg zu weiteren geldpolitischen Lockerungen: “Ich bin mit den Markterwartungen für die kommenden beiden Sitzungen ziemlich zufrieden.”

Darüber hinaus halte er es für zu früh, Kommentare abzugeben, sagte Knot zu Bloomberg TV. Der weitere Verlauf sei angesichts einer wahrscheinlich neuen US-Handelspolitik unter Präsident Trump unsicherer. Der Republikaner droht der Europäischen Union (EU) mit Sonderzöllen und erwägt auch neue Zölle auf chinesische Waren. Lagarde sieht diese Strategie kritisch, durch die Erhöhung von Handelsbarrieren die inländische Produktion zu befeuern. Dies sei angesichts einer bereits jetzt nahezu ausgelasteten US-Wirtschaft ein fragwürdiger Ansatz. Die US-Wirtschaft laufe im Moment “geradezu heiß”.

AUCH WECHSELKURS IM FOKUS

Lagarde betonte überdies, die EZB müsse die Auswirkungen eines schwachen Euros im Auge behalten, der möglicherweise die Kosten für Importgüter, einschließlich Energie, in die Höhe treiben könne. “Es wird interessante Phänomene geben, die wir beobachten werden. Der Wechselkurs zum Beispiel wird von Interesse sein und könnte Konsequenzen haben”, erklärte sie.

Die mögliche Einführung von Zöllen durch die USA könnte den Kurs der Zinssenkungen im Euroraum laut dem griechischen Notenbankchef Yannis Stournaras sogar beschleunigen, da sie sich negativ auf die Kennzahlen der europäischen Wirtschaft auswirken dürfte. “Meiner persönlichen Einschätzung nach sollten die Zinsschritte jeweils in der Größenordnung von 25 Basispunkten liegen, so dass wir uns bis Ende 2025 von heute drei Prozent dann fast zwei Prozent nähern”, sagte er der griechischen Zeitung “Naftemporiki”.

Der nächste Zinsentscheid der EZB steht am 30. Januar an. Momentan liegt der für die Finanzmärkte relevante Einlagesatz bei 3,0 Prozent. Investoren rechnen für nächste Woche fest mit einer Senkung. Darüber hinaus wird darauf spekuliert, dass noch dieses Jahr bis zu drei weitere Schritte nach unten folgen könnten. So dürfte zum Jahresende ein Leitzinsniveau von 2,0 Prozent erreicht sein. Dieses liegt im unteren Bereich einer Spanne, die Ökonomen der EZB als neutral erachten – also als weder stimulierend noch bremsend für die Wirtschaft.

(Bericht von Balazs Koranyi, Francesco Canepa,Antonis Pothitos, Sharon Singleton, Shri Navaratnam and Tomasz Janowski geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2025binary_LYNXNPEL0L07G-VIEWIMAGE