Düsseldorf (Reuters) – Die Staatsanwaltschaft Köln will im Zusammenhang mit Cum-Ex bald neue Anklagen erheben.
“Es sind weitere Anklagen konkret in Vorbereitung”, sagte Tim Engel, Chefermittler in Sachen Cum-Ex bei der Staatsanwaltschaft Köln, am Mittwoch in Düsseldorf. Auf der Prioritätenliste der Ermittler stehen dabei die Deutsche Bank und die ehemalige WestLB ganz oben. “Das betrifft auch die beiden Komplexe, die Sie angesprochen haben”, sagte er auf eine entsprechende Frage. Insgesamt liegen rund 130 Ermittlungsverfahren zu dem Steuerskandal mit etwa 1700 Beschuldigten bei der Behörde. Es gehe nun auch darum, Verjährungen zu verhindern, betonte Engel. Dies werde sich in einigen Fällen aber nicht verhindern lassen – und sei teils auch schon eingetreten.
Bei den Cum-Ex-Geschäften verschiedener Banken, Investmentgesellschaften und Händler war dem deutschen Staat ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Anleger ließen sich dabei eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit – also cum – und ohne – ex – Dividendenanspruch. Die Fälle hatten weite Kreise gezogen, bei zahlreichen Banken und Anwaltskanzleien gab es deswegen immer wieder Durchsuchungen. Betroffen war 2022 unter anderem auch die Deutsche Bank. Aber auch bei Landesbanken oder ihren Nachfolgern klopften die Ermittler an, betroffen war etwa die WestLB-Nachfolgerin Portigon. Die Deutsche Bank bekräftigte, sie habe keine organisierten Cum-Ex-Geschäfte auf eigene Rechnung getätigt. “Wir haben in der Vergangenheit jedoch schon immer gesagt, dass die Deutsche Bank in Cum-Ex-Geschäfte von Kunden eingebunden war”, fügte das Institut hinzu. Dies habe auch Bankdienstleistungen wie beispielsweise die Finanzierung von Wertpapiertransaktionen beinhaltet. “Diese Finanzierungen sieht die Deutsche Bank heute auch sehr kritisch und kooperiert seit Beginn der Untersuchungen mit den Ermittlungsbehörden hierzu.”
Die Staatsanwaltschaft Köln spielt eine zentrale Rolle bei den Ermittlungen – auch weil das Bundeszentralamt für Steuern seinen Hauptsitz im benachbarten Bonn hat. Zwölf Cum-Ex-Anklagen hat die Behörde bisher erhoben, die in 16 Gerichtsverfahren mündeten. Die Ankläger haben dabei zahlreiche Verurteilungen erwirkt und Gelder für den Fiskus zurückgeholt. Die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker war durch die Ermittlungen bekannt geworden, sie hatte die Behörde aber im vergangenen Mai verlassen. Sie wechselte zur Organisation Finanzwende und kritisierte, Finanzverbrechen würden in Deutschland nur unzureichend verfolgt.
“Die Strafverfolgung wird noch viele Jahre dauern”, sagte Brorhilker-Nachfolger Engel nun in Düsseldorf. Die Ermittler hätten ganze Bank-Archive sowie zahllose E-Mails gesichert, müssten nun einen “gewaltigen Datenpool” auswerten – und hätten es “in der Regel nicht mit geständigen Angeklagten zu tun”. Die Behörde müsse Schuld und Tatbeitrag eines jeden Verdächtigen nachweisen. “Das braucht seine Zeit”, sagte Engel. In etwa 34 Tatkomplexen seien einzelne Verjährungen eingetreten – einige Taten könnten also nicht mehr verfolgt werden. In den “großen Bankenverfahren” habe die Behörde aber Verjährungsunterbrechungen erwirkt. Ziel bleibe es, so viel Steuergeld wie möglich von den Tatbeteiligten zurückzuholen.
(Bericht von Matthias Inverardi, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)