Berlin (Reuters) – Die Zahl der Einwohner in Deutschland ist im vergangenen Jahr langsamer gewachsen.
Fast 83,6 Millionen Menschen lebten Ende 2024 in der Bundesrepublik und damit knapp 100.000 mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag zu seiner ersten Schätzung mitteilte. 2023 gab es wegen der deutlich höheren Nettozuwanderung noch einen Zuwachs von knapp 340.000 Personen.
“Auch im Jahr 2024 war die Nettozuwanderung die alleinige Ursache des Bevölkerungswachstums”, erklärten die Statistiker und fügten hinzu: “Wie in allen Jahren seit der deutschen Vereinigung fiel die Bilanz der Geburten und Sterbefälle 2024 negativ aus, da erneut mehr Menschen starben als geboren wurden.”
Sowohl die Zahl der Geburten als auch die Zahl der Sterbefälle ging 2024 um etwa 2,5 Prozent zurück. Nach den bislang vorliegenden Meldungen der Standesämter wird mit 670.000 bis 690.000 Neugeborenen gerechnet (2023: 692.989). Die Zahl der Gestorbenen betrug rund 1,00 Millionen (2023: 1,03 Millionen). Daraus ergibt sich für 2024 ein Geburtendefizit – also die Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen – von 310.000 bis 330.000.
Es lag damit bereits das dritte Jahr in Folge über der Marke von 300.000. 2023 wurde mit 335.217 ein neuer Höchststand erreicht. Zum Vergleich: Von 1991 bis 2021 lag das durchschnittliche Geburtendefizit lediglich bei 137.380 Personen im Jahr.
Die Nettozuwanderung – Zuzüge nach minus Wegzüge aus Deutschland – wird für das zurückliegende Jahr auf 400.000 bis 440.000 Personen geschätzt. Sie sank damit im Vergleich zu 2023 (662.964) um mindestens 34 Prozent. Damit bewegte sich die Nettozuwanderungen auf dem Niveau der Jahre 2016 bis 2019, als sie bei durchschnittlich 410.000 lag. “Nach vorläufigen Angaben geht diese Entwicklung auf eine geringere Nettozuwanderung vor allem aus Syrien, Afghanistan, der Türkei sowie aus Staaten der Europäischen Union zurück”, hieß es.
Ohne kräftige Zuwanderung werden die Produktionsmöglichkeiten der deutschen Wirtschaft einer Studie zufolge stark schrumpfen. Die Wachstumsrate sinke dann zwischen 2024 und 2029 auf lediglich 0,4 Prozent, heißt es in den Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die der Nachrichtenagentur Reuters vorlagen. Zwischen 2015 und 2023 habe das Produktionspotenzial noch bei durchschnittlich 1,2 Prozent gelegen.
“Die deutsche Wirtschaft steht aufgrund des demografischen Wandels und des Ausscheidens der Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt vor einem zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangel”, so das Berliner Institut. Zwischen 2024 und 2028 dürften rund 4,7 Millionen Erwerbstätige den Arbeitsmarkt verlassen und diesen Mangel noch verstärken. Das werde das Produktionspotenzial der deutschen Wirtschaft “erheblich einschränken”. “Für ein langfristiges Wachstum benötigt die deutsche Wirtschaft eine nennenswerte Zuwanderung von Arbeitskräften”, sagte DIW-Expertin Angelina Hackmann. Ohne Migration würde das Potenzialwachstum “schon in den nächsten zwei Jahren auf null rutschen”. Bei einer Nettomigration von 1,5 Millionen Personen bis 2029 könne das Potenzialwachstum auf 1,1 Prozent gehoben werden. Das würde fast dem langfristigen Mittelwert entsprechen.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Ralf Banser – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)