Debatte über Migrationspolitik nach Messerangriff von Aschaffenburg

Berlin (Reuters) – Nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg gewinnt die Diskussion über ein schärferes Vorgehen in der Migrationspolitik an Fahrt.

Dass der Tatverdächtige nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein ausreisepflichtiger Afghane ist, rückten Politiker mehrerer Parteien vier Wochen vor der Bundestagswahl ins Zentrum der Debatte.

“Es braucht eine Vollbremsung bei der Migration”, sagte der Landesgruppenchef und Spitzenkandidat der CSU, Alexander Dobrindt, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. “Das heißt, Zurückweisungen an den Grenzen, Drittstaatenlösung, konsequente Abschiebung von Straftätern.” Er warf der bisherigen Ampel-Regierung Wortbruch bei angekündigten Abschiebeplänen vor. “Das alles trägt zur Polarisierung in unserer Gesellschaft bei.”

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits nach der Tat am Mittwoch erklärt, gegenüber Tätern, die als Schutzsuchende nach Deutschland gekommen seien, sei “falsch verstandene Toleranz völlig unangebracht”. Er hatte sich am Mittwochabend eigens mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und den Chefs der Sicherheitsbehörden zu einem Krisengespräch getroffen. Aus dem Innenministerium hieß es am Donnerstag, das Gespräch zwischen Kanzler und Ministerin sei vertraulich gewesen.

CDU-Chef Friedrich Merz, der Umfragen zufolge Aussichten auf eine Ablösung von Kanzler Scholz hat, kündigte Konsequenzen an: “So kann es nicht weitergehen. Wir müssen und werden Recht und Ordnung wiederherstellen!” Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck verwies darauf, dass der mutmaßliche Täter psychische Probleme habe und bereits gewalttätig aufgefallen sei. “Wie konnte er trotzdem aus dem Blick geraten?” fragte Habeck auf X. FDP-Chef Christian Lindner mahnte, Deutschland müsse ein tolerantes Land bleiben. “Aber das muss zu unseren Regeln stattfinden, nicht zulasten unserer Sicherheit”, schrieb Lindner auf X.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte von einer “feigen und niederträchtigen Tat” gesprochen, deren Umstände restlos aufgeklärt werden müssten. Er will sich am Donnerstag um 12.00 Uhr (MEZ) zusammen mit seinem Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei einer Pressekonferenz zum aktuellen Stand äußern. Die Aschaffenburger CSU-Bundestagsabgeordnete und Innenpolitikerin Andrea Lindholz sagte im Deutschlandfunk, es müsse aufgeklärt werden, warum sich der Täter überhaupt noch in Deutschland aufgehalten habe, nachdem er ausreisepflichtig gewesen sei.

Bei dem Messerangriff am Mittwoch waren ein Kleinkind und ein Mann getötet worden. Der tatverdächtige Afghane sollte nach Polizeiangaben am Donnerstag einem Haftrichter vorgeführt werden. Der Termin am Amtsgericht zur Entscheidung über eine mögliche Untersuchungshaft sei im Lauf des Nachmittags vorgesehen, sagte ein Polizeisprecher.

Bei dem Kind handelt es sich um einen zweijährigen Jungen marokkanischer Abstammung, der mit einer Kindergartengruppe unterwegs war, wie Minister Herrmann später am Tatort sagte. Die zweite getötete Person sei ein 41-jähriger deutscher Passant, der zufällig dort gewesen sei und als Helfer eingeschritten sei. Weitere Personen seien teils schwer verletzt worden. Der 28 Jahre alte Tatverdächtige habe ein Asylverfahren durchlaufen und sei ausreisepflichtig gewesen.

(Bericht von Jörn Poltz, Andreas Rinke und Alexander Ratz, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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