Paris/Berlin (Reuters) – Bundeskanzler Olaf Scholz legt im Regierungsstreit über die Finanzierung zusätzlicher Ukraine-Militärhilfe nach: Dass vor der Wahl nicht darüber diskutiert werde, wer was zahle, “empfinde ich als Skandal”, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch.
Auslöser ist der Streit, ob ein Hilfspaket über drei Milliarden Euro über eine Kreditlinie oder aus dem Haushaltsentwurf 2025 bezahlt wird. Scholz und die SPD-Spitze plädieren für den ersten Weg, für den aber eine Aussetzung der Schuldenbremse notwendig wäre. Grüne, Union und FDP wollen dagegen einen Beschluss des Haushaltsausschusses für eine sogenannte überplanmäßige Ausgabe. Auch der SPD-Haushälter Andreas Schwarz sieht anders als Scholz Spielraum im Etat 2025.
“Wir haben eine Haushaltslücke von aktuell 26 Milliarden Euro. Wenn ich abziehe, dass wir nicht alles ausgeben werden, sagen wir zehn Milliarden, dann fehlen für 2025 immer noch 15 Milliarden Euro”, hielt Scholz dagegen. Dazu kämen dann die drei Milliarden Euro für die Ukraine-Militärhilfe. Wer unbeantwortet lasse, woher das ganze Geld kommen solle, “belügt die Öffentlichkeit.” Es gebe nur drei Möglichkeiten, an die nötigen Finanzmittel zu kommen. Entweder durch Mehreinnahmen aus neuen Krediten – das sei sein Vorschlag mit dem Deutschlandfonds und der vorsichtigen Reform der Schuldenregel – oder mit Steuererhöhungen.
Der SPD-Haushälter Schwarz sagte der “Rheinischen Post”, dass er sehr wohl Spielraum im Etat 2025 sehe. “Ich gehe davon aus, dass drei Milliarden Euro bei einem Gesamthaushalt von 488 Milliarden Euro zum aktuellen Zeitpunkt zu finden wären, ohne die innere, äußere oder soziale Sicherheit des Landes zu gefährden”, sagte er. “Es wäre wünschenswert, trotz der geringen Kompromissbereitschaft im Wahlkampf zu dieser Lösung für die Ukraine zu kommen.” Die für eine Lockerung der Schuldenbremse erforderliche Zweidrittelmehrheit werde nicht erreicht. Schwarz betonte, die drei Milliarden Euro würden “einen erheblichen Unterschied machen im ukrainischen Abwehrkampf gegen Russland”.
Die entscheidende Vorlage zur Finanzierung der Hilfe müsste aus dem SPD-geführten Finanzministerium kommen. Laut FDP wird sich Minister Jörg Kukies im Haushaltsausschuss des Bundestags am kommenden Mittwoch äußern. FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke sagte Reuters, Kukies werde die Lücke in der Etatplanung 2025 erläutern. Die Liberalen erwarten dann auch eine Vorlage für das Drei-Milliarden-Paket. Union, FDP und Grüne könnten im Ausschuss mit einem gemeinsamen Beschluss um eine solche Vorlage bitten.
Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte Scholz. Sie wies Warnungen des Kanzlers zurück, dass es dann zu Kürzung im Sozialbereich kommen könnte. “Die drei Milliarden haben rein gar nichts mit Sozialversicherungsleistungen wie der Rente zu tun, die ja auch gesetzlich gesichert ist”, sagte sie der “FAZ”. Die Ampel-Regierung habe festgelegt, dass äußere, innere und soziale Sicherheit nicht gegeneinander ausgespielt werde. “Verantwortung heißt handeln und nicht, sich rauszureden”, sagte sie. Allerdings bezieht sich Scholz mit seiner Warnung auf die Zeit nach der Bundestagswahl mit einer möglichen neuen Regierung.
“Die weitere Unterstützung der Ukraine ist ohne ein Aufweichen der Schuldenbremse möglich”, sagte auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul. Wenn sich alle Haushaltspolitiker einig seien, sei offenbar Scholz derjenige, der die Unwahrheit sage. “Er muss sich umgehend dafür entschuldigen, dass er andere der Lüge bezichtigt hat”, forderte der CDU-Politiker.
(Bericht von Andreas Rinke, Alexander Ratz und Holger Hansen. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)