Berlin (Reuters) – Nach einem Umsatzplus 2024 schauen die Einzelhändler vorsichtig optimistisch auf das neue Jahr.
“Der Konsum und der Einzelhandel in Deutschland kommen auch 2025 nicht richtig in Schwung”, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth vom Branchenverband HDE am Freitag in Berlin. “Nach einem für viele Handelsunternehmen schwierigen letzten Jahr werden die Herausforderungen für die Branche damit immer größer.” Der Branchenumsatz dürfte nominal um zwei Prozent auf 677 Milliarden Euro zulegen. Bereinigt um steigende Preise sei dies ein reales Plus von 0,5 Prozent. Im vergangenen Jahr waren die Erlöse der Branche nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 2,5 (real: 1,1) Prozent gestiegen.
“Die Talsohle scheint durchschritten”, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Im Vergleich zu 2021, als der Einzelhandel die bisher höchsten Einnahmen seit Beginn dieser Statistik 1994 erzielte, lag der reale Jahresumsatz um 2,9 Prozent niedriger. HDE-Lobbyist Genth hingegen zeichnete ein ernüchterndes Bild der Branche zwischen konjunkturellem Gegenwind, geringer Konsumlaune samt steigender Arbeitslosigkeit sowie hoher Energiepreise und unfairem Wettbewerb. “2024 war ein schwaches Jahr für den Einzelhandel, aber kein dramatisch katastrophal schlechtes Jahr”, erklärte Genth. “Die Unsicherheit bleibt ein Dauerzustand.” Denn die Sparquote sei mit 11,6 Prozent extrem hoch, die privaten Haushalte hätten 2024 fast 300 Milliarden Euro auf die hohe Kante gelegt.
MAUE KAUFLAUNE BREMST KONSUM – “SCHNELLE KOALITION WÄRE GUT”
Das Umfeld bleibe 2025 mit einem geschätzten Anziehen der Konjunktur um 0,3 Prozent schwierig. “Das ist natürlich eigentlich kein Wachstum”, klagte Genth und verwies auf die Rezession. Die Wirtschaft schrumpfte 2023 und 2024 jeweils.
Aus einer HDE-Umfrage unter fast 700 Firmen geht hervor, dass nur 22 Prozent mit einem Umsatzplus in diesem Jahr rechnen. Knapp die Hälfte dagegen erwarte Ergebnisse unter dem Vorjahresniveau. “Unkalkulierbare Kriege und Konflikte, hohe Energiekosten und eine gesamtwirtschaftliche Stagnation sind ein toxischer Cocktail für den Konsum”, sagte Genth. Er hofft nach der Bundestagswahl auf eine rasche Koalitionsbildung, die für klare politische Verhältnisse – und mehr Konsum – sorgen könnte.
Der Chefökonom der Hamburg Commercial Bank (HCOB), Cyrus de la Rubia, bezeichnete das reale Umsatzplus 2024 von 1,1 Prozent angesichts von Tariflohnsteigerungen von knapp sechs Prozent als enttäuschend. “Lieber sparen, ist offensichtlich die Devise.” Gitzel sieht Hoffnungen, dass der private Konsum weiter anziehen werde. “Gewisse Skepsis ist allerdings angebracht, über dem Arbeitsmarkt liegen dunkle Wolken”, sagte der Volkswirt. “Ist der Job nicht mehr sicher, wird gespart – vor allem bei größeren Anschaffungen.”
Gut drei Wochen vor der Wahl ist die Arbeitslosenzahl auf fast drei Millionen gestiegen und erreichte mit 2,993 Millionen den höchsten Stand seit fast zehn Jahren.
Die Kauflaune der Verbraucher hat sich zu Jahresbeginn angesichts von Konjunkturflaute, Jobsorgen und Inflation eingetrübt, wie jüngst das Barometer für das Konsumklima der GfK und des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen (NIM) zeigte.
VERSAND- UND INTERNETHANDEL MIT SPÜRBAR MEHR UMSATZ
“Die Einzelhändler in den Innenstädten leiden nicht nur unter der insgesamt mauen Nachfrage, sondern auch darunter, dass der Internethandel ihnen Marktanteile abjagt”, sagte Analyst De la Rubia. Der Versandhandel und E-Commerce legte 2024 inflationsbereinigt fünf Prozent zu und damit stärker als die gesamte Branche. Dieses Jahr dürften die Online-Erlöse laut HDE nominal um drei (real: 2,0) Prozent steigen, während die Umsätze in Ladengeschäften um 1,8 (real: 0,3) Prozent klettern dürften.
Das Weihnachtsgeschäft – der Umsatz im November und Dezember – sei mit plus 3,1 Prozent besser gelaufen als nominal mit 1,3 Prozent erwartet, sagte Genth.
(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)