Trump: USA wollen Gazastreifen übernehmen und wirtschaftlich entwickeln

– von Steve Holland und Matt Spetalnick und Jeff Mason

Washington (Reuters) – Die USA wollen nach Darstellung von Präsident Donald Trump die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen und ihn wirtschaftlich entwickeln.

Während einer Pressekonferenz mit dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Washington sagte Trump in der Nacht auf Mittwoch (MEZ), dort sollten dann “die Menschen der Welt” leben, während die Nachbarstaaten auf Dauer Palästinenser aufnehmen könnten. Der Küstenstreifen habe das Potenzial, die “Riviera des Nahen Ostens” zu werden. Einen Einsatz des US-Militärs schloss Trump nicht aus. Einzelheiten nannte er nicht. In ersten Reaktionen in der Nacht lehnte die radikal-islamische Hamas den Vorschlag ab.

“Die USA werden den Gazastreifen übernehmen, und wir werden dort ganze Arbeit leisten”, sagte Trump. Ihm schwebe eine “langfristige Stellung als Eigentümer” (engl. “ownership position”) vor, die diesem Teil des Nahen Ostens große Stabilität bringen werde. Die USA würden unter anderem die Blindgänger nach dem Gaza-Krieg beseitigen, die zerstörten Gebäude abreißen, den Küstenstreifen einebnen und dann eine wirtschaftliche Entwicklung anstoßen, die eine “unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet” bieten werde. Auch Palästinenser würden dort wohnen.

Auf die Frage eines Journalisten, ob die USA Truppen einsetzen würden, sagte Trump, man werde tun, was nötig sei. Zu den Palästinensern erklärte er, sie könnten von Nachbarstaaten dauerhaft aufgenommen werden. Der Republikaner hatte jüngst Jordanien und Ägypten als mögliche Aufnahmeländer genannt und erklärt, die Bewohner des Gazastreifens hätten angesichts der Verwüstungen durch den Krieg keine Alternative, als den Küstenstreifen zu verlassen. Beide Staaten haben den Vorschlag zurückgewiesen. Trumps Nahost-Beauftragter Steve Witkoff sagte in der Nacht, der Präsident habe der Region zu verstehen gegeben, dass der Gazastreifen für zehn bis 15 Jahre unbewohnbar sein werde angesichts der Kriegsschäden.

US-SENATOR: “ER HAT VÖLLIG DEN VERSTAND VERLOREN”

Netanjahu ging während der Pressekonferenz nicht im Detail auf den Vorschlag ein. Er lobte Trump dafür, “frische Ideen” aufzubringen und eine Bereitschaft zu zeigen, mit konventionellen Denkmustern zu brechen. Ein Vertreter der Hamas – Israels Gegner im Gaza-Krieg – lehnte in einer ersten Stellungnahme den Vorschlag ab. Die Menschen im Gazastreifen würden den Plan nicht akzeptieren, sagte Sami Abu Suhri. Saudi-Arabien erklärte, ohne einen eigenen Palästinenser-Staat werde es keine Normalisierung der Beziehungen zu Israel geben.

In den USA selbst zeigte sich der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina zurückhaltend zum Vorschlag seines Parteikollegen. “Wir werden sehen, was unsere arabischen Freunde dazu sagen”, sagte er dem Sender CNN. Die meisten Bürger seines Bundesstaates wären wahrscheinlich “nicht begeistert, Amerikaner zur Übernahme des Gazastreifens zu entsenden”. Er bleibe jedoch zunächst offen für alles. Der demokratische Senator Chris Murphy erklärte auf dem Kurznachrichtendienst X zu Trump: “Er hat völlig den Verstand verloren.”

Trumps Vorstoß wäre eine radikale Abkehr von den Grundprinzipien der US-Nahostpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Insbesondere haben frühere Regierungen – auch die von Trump selbst während seiner ersten Amtszeit – es vermieden, US-Truppen in den Gazastreifen zu schicken. Einige Experten bescheinigen Trump, zunächst extreme Positionen einzunehmen, um einen Rahmen für spätere Verhandlungen abzustecken. Während seiner ersten Amtszeit hatte der Geschäftsmann wiederholt außenpolitische Erklärungen abgegeben, die damals als übertrieben eingestuft wurden. Viele davon griff er nicht auf.

Unklar blieb zunächst, welche Folgen Trumps Ankündigung für die laufenden Friedensgespräche zwischen Israel und der Hamas haben wird. Der Gazastreifen – ein Landstreifen am Mittelmeer mit einer Länge von etwa 45 Kilometern und nicht mehr als zehn Kilometer Breite – ist durch die 16 Monate des Gaza-Kriegs umfangreich zerstört worden. Die Vereinten Nationen schätzten im Januar, dass 50 Millionen Tonnen Schutt beseitigt werden müssen, was 21 Jahre dauern und bis zu 1,2 Milliarden Dollar kosten könnte.

Die Hamas hatte den Gaza-Krieg mit einem Überraschungsangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 begonnen. Dabei wurden nach israelischen Angaben 1200 Israelis getötet und 250 als Geiseln verschleppt. Nach palästinensischen Angaben starben bei dem folgenden israelischen Vorstoß in den Gazastreifen dort mehr als 47.000 Palästinenser. Vor dem Krieg lebten in dem Palästinenser-Gebiet 2,2 Millionen Menschen.

(Weitere Berichterstattung von Kanishka Singh, Susan Heavey, Katherine Jackson und Nidal al-Mughrabi; geschrieben von Scot W. Stevenson; Redigiert von Esther Blank)

tagreuters.com2025binary_LYNXMPEL14069-VIEWIMAGE