Washington (Reuters) – US-Präsident Donald Trump geht gegen Vertreter des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) vor und hat damit deutliche Kritik des Gerichts und der EU ausgelöst.
Zustimmung kam dagegen von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Per Dekret verhängte Trump am Donnerstag Einreiseverbote und finanzielle Sanktionen gegen IStGH-Mitarbeiter, die gegen US-Bürger oder gegen Verbündete der USA ermitteln. Der IStGH hat unter anderem Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erlassen, der gerade bei Trump zu Besuch war. Das Gericht ermittelt aber auch gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte an, der IStGH müsse weiter ungehindert arbeiten können.
Wer beim IStGH genau von den Sanktionen betroffen ist, blieb zunächst offen. Klar ist aber, dass das Visa-Embargo auch Familienmitglieder der sanktionierten Gerichtshofmitarbeiter treffen wird. Aus Gerichtskreisen verlautete, dass noch am Freitag über die Auswirkungen von Trumps Vorstoß beraten werde.
Dieser gilt als Protest gegen den Haftbefehl für Netanjahu, den der IStGH im November 2024 wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen hat. Der Strafgerichtshof sieht den Vorwurf begründet, dass Netanjahu als Vorgesetzter strafrechtlich verantwortlich ist für vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen und damit für Kriegsverbrechen.
DEUTSCHLAND STELLT SICH HINTER INTERNATIONALEN GERICHTSHOF
Der IStGH erklärte, Trumps Dekret untergrabe seine juristische Arbeit. “Der Gerichtshof steht fest hinter seinem Personal und verpflichtet sich, weiter für Gerechtigkeit und Hoffnung für Millionen unschuldiger Opfer von Gräueltaten auf der ganzen Welt zu sorgen.” Dies gelte für alle Angelegenheiten, in denen das Gericht tätig sei. Der Gerichtshof appellierte an seine Mitglieder, vereint für Gerechtigkeit und Menschenrechte einzustehen.
Die USA zählen wie Israel und Russland nicht zu den 125 Staaten, die den Internationalen Gerichtshof tragen. Das seit 2002 tätige Gericht ist zuständig für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Zu den Vertragsstaaten zählt auch Deutschland, das theoretisch den Haftbefehl gegen Netanjahu umsetzen müsste, sollte derisraelische Ministerpräsident die Bundesrepublik besuchen.
Bundeskanzler Olaf Scholz kritisierte die Sanktionen. “Sie gefährden eine Institution, die dafür Sorge tragen soll, dass die Diktatoren dieser Welt nicht einfach Menschen verfolgen, Kriege anzetteln können, und das ist ganz wichtig”, sagte Scholz vor der Presse. Trumps Vorstoß sei falsch, weil es so mühselig sei, dafür zu kämpfen, dass das Gericht Respekt genieße. Das Auswärtige Amt erklärte, Deutschland bleibe Unterstützer des IStGH. Es sei denkbar, dass noch heute in New York die Vertreter einiger Staaten gemeinsam ihre Unterstützung für das Gericht zum Ausdruck bringen würden.
Kommissionspräsidentin von der Leyen schrieb in den sozialen Medien, der IStGH garantiere die Rechenschaftspflicht für internationale Verbrechen und gebe Opfern weltweit eine Stimme. “Europa wird immer für Gerechtigkeit und die Achtung des Völkerrechts eintreten.”
ORBAN: NEUER WIND IN WELTPOLITIK – “TRUMP-TORNADO”
Dagegen teilte Ungarns Regierungschef Orban mit, die Sanktionen deuteten darauf hin, dass es für das EU-Land an der Zeit sein könnte, den IStGH zu verlassen. “In der internationalen Politik weht ein neuer Wind. Wir nennen ihn den Trump-Tornado”, erklärte der sowohl Trump als auch Putin nahestehende Politiker auf der Plattform X.
Der IStGH-Haftbefehl gegen Putin gilt seit März 2023. Der Gerichtshof beschuldigt ihn, verantwortlich für die Deportation ukrainischer Kinder und die erzwungene Überführung von Ukrainern nach Russland zu sein.
In seiner ersten Amtszeit verhängte Trump Sanktionen gegen die Strafverfolgerin des IStGH, die wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen von US-Truppen in Afghanistan ermittelte.
(Bericht von Bart Meijer, Sudip Kar-Gupta und Steve Holland, Reuters-TV; geschrieben von Hans Busemann und Elke Ahlswede; redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)