Paris (Reuters) – Trotz Einigkeit über die großen Chancen der Künstlichen Intelligenz sind die USA und Europa beim Einsatz der neuen Technologie gespalten.
Während US-Vizepräsident JD Vance beim KI-Gipfeltreffen in Paris am Dienstag vor zu viel Regulierung warnte und den Führungsanspruch der USA betonte, setzte die EU andere Signale. “KI braucht Wettbewerb, aber KI braucht auch Zusammenarbeit, und KI braucht das Vertrauen der Menschen und muss sicher sein”, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Blick auf den Missbrauch. “KI kann ein Geschenk für die Menschheit sein, aber wir müssen sicherstellen, dass ihre Vorteile sich verbreiten und für alle zugänglich sind.” Aus Steuergeld und privaten Mitteln wolle man 200 Milliarden Euro für die KI mobilisieren. Zudem müsse Bürokratie abgebaut werden, sagte sie.
Die unterschiedlichen Auffassungen wurden auch darin deutlich, dass die USA ein vorbereitetes, gemeinsames Kommunique nicht unterzeichnen wollten. Großbritannien weigerte sich ebenfalls und erklärte, man unterzeichne nur etwas, was im eigenen Interesse liege. Details zu den Gründen wurden nicht genannt, auch die USA äußerten sich nicht. Im Kommunique heißt es zu den Prioritäten: “Sicherstellen, dass KI offen, inklusiv, transparent, ethisch, sicher und vertrauenswürdig ist, unter Berücksichtigung internationaler Rahmenbedingungen für alle” und “KI für Menschen und den Planeten nachhaltig gestalten”.
Die EU hatte im vergangenen Jahr das weltweit erste umfassende Regelwerk für KI verabschiedet. Einige Länder und auch große Technologiekonzerne dringen aber auf einen lockeren Umgang damit, um sich gegen die USA und China behaupten zu können.
Der chinesische Vizepremier Zhang Guoqing erklärte auf dem Gipfel, sein Land sei bereit, mit anderen Ländern im KI-Bereich zusammenzuarbeiten. Es gehe darum, “eine Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit” aufzubauen.
VANCE: INHALTLICHE KONTROLLE GLEICH AUTORITÄRE ZENSUR
Vance warnte, inhaltliche Kontrolle der KI käme Zensur gleich. Den strengeren Regulierungsansatz der Europäischen Union lehne er ab. Das könnte eine transformative Branche zerstören. Die Einhaltung europäischer Online-Datenschutzvorschriften bedeute für kleinere Firmen hohe Kosten.
Von der Leyen sagte, das Rennen um KI zwischen Europa, China und den USA sei noch nicht entschieden. “Wir stehen noch am Anfang.” Europa solle sich auf seine Stärken besinnen, und die lägen in der exzellenten Wissenschafts- und Technologielandschaft. Man verfüge über einige der weltweit schnellsten Computer.
Die Frage der Regulierung ist in Europa über alle Branchen hinweg ein Dauerthema. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich am Montag bei dem Gipfeltreffen für eine vereinfachte KI-Regulierung ausgesprochen.
Von der Leyen räumte ein, man müsse Bürokratie abbauen, um die Entwicklung nicht zu behindern. Das Ziel bleibe aber: “Wir wollen, dass KI eine Kraft des Guten ist. Wir wollen eine KI, bei der alle zusammenarbeiten und alle davon profitieren. (…) Das ist unser europäischer Weg.” Vance erklärte dagegen: “Wir sind der festen Überzeugung, dass die KI frei von ideologischen Vorurteilen bleiben muss und dass die amerikanische KI nicht als Instrument autoritärer Zensur missbraucht werden darf.”
Experten kritisierten, dass die US-Regierung eine neue Prioritätensetzung wolle. “Aus der Rede von JD Vance geht eindeutig hervor, dass die US-Politik jetzt eine eindeutige Änderung erfährt”, sagte Russell Wald, geschäftsführender Direktor des Stanford Institute for Human-Centered Artificial Intelligence. “Die Sicherheit wird nicht mehr im Vordergrund stehen, sondern die beschleunigte Innovation und die Überzeugung, dass die Technologie eine Chance ist, und dass Sicherheit gleichbedeutend mit Regulierung ist und Regulierung gleichbedeutend mit dem Verlust dieser Chance.”
Dario Amodei, Geschäftsführer des OpenAI-Konkurrenten Anthropic, sagte, der Gipfel sei eine “verpasste Gelegenheit”, um die Kontrolle der Lieferkette, die Sicherheitsrisiken der KI und die zu erwartenden Störungen auf dem Arbeitsmarkt anzusprechen. Erwartet wurde, dass OpenAI-Chef Sam Altman noch am Dienstag auf dem Gipfel spricht. OpenAI hatte die KI für breitere Anwendungen geöffnet und gilt als führender Vertreter der Technologie.
(Bericht von Jeffrey Dastin, Ingrid Melander; geschrieben von Markus Wacket, Andreas Rinke; redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)