Frankfurt (Reuters) – Nach dem jüngsten Rekordlauf zeigen sich die Anleger an den europäischen Aktienmärkten auch von der neuen Zoll-Runde von US-Präsident Donald Trump wenig beeindruckt.
Der Dax nahm erneut die Marke von 22.000 ins Visier. Mit einem Plus von bis zu 0,3 Prozent kletterte der deutsche Leitindex zwar am Dienstag auf ein frisches Allzeithoch von 21.977,18 Punkten, blieb damit aber knapp unter der historischen Schwelle. Auch der EuroStoxx50 zog leicht auf 5364 Zähler an.
“Runde Marken lösen an der Börse eine gewisse Anziehungskraft aus”, kommentierte RoboMarkets-Stratege Jürgen Molnar. Potenzial sieht er noch bis in die Region zwischen 22.300 und 22.500 Zähler. “Zollandrohungen aus dem Weißen Haus haben inzwischen ihren Schrecken verloren, die Anleger haben sich scheinbar daran gewöhnt.” Die Börsen malten aktuell ein extrem optimistisches Bild aus einer boomenden Wirtschaft bei einer gleichzeitig weiter fallenden Inflationsrate, sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. “Der Dax ist aktuell der Börsenstar des Jahres.”
NEUE ZÖLLE VORAUS
US-Präsident Trump hatte am Montag die Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium auf pauschal 25 Prozent angehoben, “ohne Ausnahmen oder Befreiungen”, um die schwächelnden Industriezweige in den USA zu stützen. Länderausnahmen und Quotenabkommen sowie Hunderttausende produktspezifische Zollausnahmen wurden für beide Metalle abgeschafft. Ein Beamter des Weißen Hauses sagte, die Maßnahmen würden am 4. März in Kraft treten. Die Zölle werden Millionen Tonnen Stahl- und Aluminiumimporte aus Kanada, Brasilien, Mexiko, Südkorea und anderen Ländern treffen.
Zudem ziehen die USA auch Sonderzölle auf Fahrzeuge, Computerchips und pharmazeutische Produkte in Betracht. “Ungerechtfertigte Zölle gegen die EU werden nicht unbeantwortet bleiben”, kündigte die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen an. Mit Spannung warteten Börsianer auf einen Auftritt von US-Notenbankchef Jerome Powell, der im Tagesverlauf den Senatoren im US-Kongress Rede und Antwort steht. Im Mittelpunkt der Anhörung stehen Kommentare zu Trumps Handelspolitik, der Inflation sowie dem weiteren Vorgehen der Fed.
EUROPAS STAHLHERSTELLER GEBEN NACH – TUI UNTER DRUCK
Die europäischen Stahlhersteller, die etwa 15 Prozent der US-Importe ausmachen, verzeichneten Verluste. Die Aktien von Thyssenkrupp gaben bis zu drei Prozent nach. ArcelorMittal und Voestalpine verloren jeweils bis zu 1,5 Prozent. Börsianer hofften weiterhin auf Zugeständnisse, nachdem Trump vergangene Woche einer 30-tägigen Pause zugestimmt hat, bevor Zölle in Höhe von 25 Prozent gegen Mexiko und Kanada in Kraft treten sollen. “Der Markt erkennt, dass es sich eher um Rhetorik als um eine wörtliche Bedeutung handelt”, sagte Giles Coghlan, Analyst bei GCFX. “Es handelt sich also um eine sehr emotionale Art der Verhandlung.”
Die größten Verlierer im Dax waren erneut Automobilkonzerne. Porsche, Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz verbilligten sich jeweils um mehr als ein Prozent. Auch wenn die EU bisher nicht im Mittelpunkt von Trumps Zollankündigungen gestanden habe, sei die deutsche Autoindustrie betroffen, sagte Commerzbank-Analyst Volkmar Baur. Chinesische Gegenzölle schlössen explizit Zölle auf in den USA produzierte Autos mit großen Verbrennermotoren mit ein. “Dies betrifft vor allem jedoch deutsche Autobauer, die Autos aus den USA nach China exportieren und weniger die US-Autobauer selbst.”
Aus den Depots warfen die Anleger nach der Vorlage von Geschäftszahlen auch die Aktien von TUI. Die Titel des Reisekonzerns rauschten in der Spitze knapp zehn Prozent in die Tiefe und steuerten damit auf den größten Tagesverlust seit fast zwei Jahren zu. Börsianer verwiesen auf ein abgeflautes Buchungsplus. Für das Sommerhalbjahr zählt der weltweit größte Reiseanbieter zwei Prozent mehr Buchungen, verglichen mit acht Prozent vor Jahresfrist. Im Sog gab auch die Deutsche Lufthansa um mehr als vier Prozent nach.
(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)