Bangalore/San Francisco/New York (Reuters) – Im jahrelangen Streit mit dem auf Künstliche Intelligenz spezialisierten Softwarehaus OpenAI und dessen Chef Sam Altman hat Elon Musk eine neue Runde eröffnet.
Der Multi-Milliardär will den ChatGPT-Entwickler aus San Francisco für 97,4 Milliarden Dollar übernehmen. “Es ist an der Zeit, dass OpenAI zu der Open-Source- und sicherheitsorientierten Kraft für das Gute zurückkehrt, die es einmal war”, teilte Musk, der reichste Mensch der Welt, am Dienstag mit. “Wir werden dafür sorgen, dass das passiert.”
Altman lehnte auf Musks Kurznachrichtendienst X ab: “Nein danke, aber wir werden Twitter für 9,74 Milliarden Dollar kaufen, wenn ihr wollt.” Musk hatte Twitter im Oktober 2022 für rund 44 Milliarden Dollar geschluckt, in “X” umbenannt und das Unternehmen komplett umgekrempelt. Wegen einiger umstrittener Entscheidungen Musks und seines Engagements für Rechtsaußen-Politiker haben seither zahlreiche Nutzer und Werbetreibende der Plattform den Rücken zugekehrt.
LANGE GEMEINSAME GESCHICHTE
Altman und Musk hatten OpenAI 2015 als gemeinnützige Forschungs- und Entwicklungsorganisation gegründet, um eine “sichere Künstliche Allgemeine Intelligenz” zu entwickeln. Diese “Superintelligenz” soll der Menschheit dienen. Musk verließ das Unternehmen aber 2018, kurz bevor die gewinnorientierte Tochter OpenAI LP gegründet wurde, um für die KI-Entwicklung Investorengelder einzusammeln. Altman plant zudem, den bislang bestimmenden Einfluss des gemeinnützigen Teils auf die Tochter zu reduzieren, um Letztere für Geldgeber attraktiver zu machen. Nur so könne man ausreichende Mittel für die weitere KI-Forschung auftreiben.
Musk hat diese Maßnahme stets scharf kritisiert. Vor einem Jahr verklagte er OpenAI und dessen Chef Altman deswegen. Außerdem sprach sich Musk, der einen dreistelligen Millionenbetrag in die Wahlkampagne des US-Präsidenten Donald Trump gesteckt hat und die Abteilung für Regierungseffizienz leitet, gegen das von OpenAI geführte Projekt “Stargate” aus. Mehrere Tech-Konzerne wollen in den kommenden vier Jahren bis zu 500 Milliarden Dollar in den Ausbau der KI-Infrastruktur investieren.
ÜBERNEHMEN UND FUSIONIEREN – WOHER KOMMT DAS GELD?
Dem “Wall Street Journal” zufolge will Musk OpenAI nach der Übernahme mit seiner eigenen KI-Firma xAI fusionieren. Das 2023 gegründete Unternehmen hat den ChatGPT-Rivalen “Grok” entwickelt. Dem Nachrichtenportal “The Information” zufolge betonte Altman in einer internen Mitteilung, dass der Verwaltungsrat von OpenAI nicht die Absicht habe, Musks “sogenanntes Angebot” anzunehmen. Musk war für einen Kommentar zunächst nicht zu erreichen. Gleiches galt für Microsoft. Der Software-Konzern hat Milliarden in den gewinnorientierten Teil von OpenAI investiert.
Für eine Übernahme müsste Musk allerdings neben möglichen kartellrechtlichen auch finanzielle Hürden überwinden. Zwar hat allein sein Anteil am Elektroauto-Bauer Tesla einen Wert von derzeit etwa 165 Milliarden Dollar. Allerdings dürften viele Banken nach seiner Übernahme von Twitter mit der Vergabe weiterer Kredite zögern. Einem Investmentbanker zufolge könnte Musk Tesla-Papiere oder seine Beteiligung an der Weltraumfirma SpaceX verpfänden.
“Musks Angebot, den gemeinnützigen Teil von OpenAI zu kaufen, dürfte die derzeitige Finanzierungsrunde und die geplante Umwandlung in ein gewinnorientiertes Unternehmen erheblich erschweren”, sagte Analyst Gil Luria vom Research-Haus D.A. Davidson. Da Musk ein Konsortium respektabler Investoren hinter sich versammelt habe, könne OpenAI die Offerte aber kaum ignorieren. Der Verwaltungsrat müsse entscheiden, ob sie einem Einstieg von Softbank vorzuziehen sei. Der japanische Technologie-Investor verhandelt mit OpenAI über eine bis zu 40 Milliarden Dollar schwere Geldspritze, in deren Rahmen OpenAI insgesamt mit mehr als 300 Milliarden Dollar bewertet werden könnte. Bei einer Finanzierungsrunde im vergangenen September waren es noch 150 Milliarden Dollar.
Jura-Professor Jonathan Macey von der Yale Law School wertete die von Musk gebotene Summe von 97,4 Milliarden Dollar als problematisch. Wenn der Verwaltungsrat von OpenAI einem Verkauf zu diesem Preis zustimme, gefährde dies die Interessen der Begünstigten der gemeinnützigen Organisation.
(Bericht von Arsheeya Bajwa, Anna Tong und Krystal Hu; geschrieben von Hakan Ersen, redigiert von Ralf Banser.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)