Berlin (Reuters) – Beim Wohnungsneubau in Europa geht es anders als in Deutschland wohl im nächsten Jahr wieder bergauf.
Dann dürften 1,53 Millionen Wohnungen fertiggestellt werden – und damit voraussichtlich drei Prozent mehr als 2025, wie das Münchner Ifo-Institut zu Prognosen der Forschergruppe Euro-Construct am Mittwoch mitteilte. In Deutschland hingegen dürfte die Zahl der gebauten Wohnungen von 294.000 im Jahr 2023 bis 2027 stetig sinken – auf dann 165.000. “In Deutschland verhindern derzeit vor allem die hohen Baukosten eine rasche Marktbelebung”, sagte Ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister. “Vor dem Hintergrund einer wachsenden Bevölkerung findet der Wohnungsneubau im europäischen Ausland allerdings langsam wieder Tritt.”
Für 2025 erwarten die internationalen Bau-Fachleute in Europa noch einen Rückgang der fertiggestellten Wohnungen um 5,5 Prozent auf 1,48 Millionen Einheiten. Das wäre der tiefste Stand seit 2015. Positive Signale kommen demnach vor allem aus dem Norden Europas. “In den nordischen Ländern erholen sich die Märkte nach dem vorangegangenen Einbruch wieder kräftig”, erklärte Dorffmeister. In Schweden (plus 12 Prozent) wird der Prognose zufolge schon 2025 mehr Wohnraum gebaut. 2026 steigen demnach auch in Dänemark (plus 28 Prozent), Finnland (plus 23 Prozent) und Norwegen (plus 13 Prozent) die Fertigstellungen. Ähnlich sei die Entwicklung in Polen (plus 10 Prozent). In Österreich (minus 9 Prozent), Frankreich und Italien (minus 3 Prozent) allerdings sinke 2026 die Zahl der errichteten Wohnungen zum Vorjahr.
In Deutschland hatten die Immobilienweisen am Dienstag in ihrem Frühjahrsgutachten erklärt, der Wohnungsbau stecke in einer tiefen Krise. Die Politik solle mit Förderprogrammen, beschleunigten Verfahren und weniger Bauauflagen helfen. Der Bauverband ZDB appellierte an die künftige Bundesregierung, nach der Wahl den Wohnungsbau ganz nach oben auf die Agenda zu setzen. “Während andere Länder den Turnaround schaffen, droht bei uns ein weiteres Minus von 15 Prozent”, sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa zur Ifo-Prognose. Demnach sinkt die Zahl der fertiggestellten Wohnungen von geschätzt 205.000 im Jahr 2025 auf 175.000 im nächsten Jahr.
Der europäische Tiefbau – also der Bau von Straßen, Eisenbahnlinien, Brücken oder Tunneln – wächst laut Ifo-Institut. Er profitiere von umfangreichen öffentlichen Investitionen und langfristigen Infrastrukturprojekten, wie dem Ausbau von Verkehrs- und Energieinfrastruktur. Diese Dynamik dürfte bis 2027 nachlassen. “Der Tiefbau in Europa könnte nach elf Jahren beinahe stetigen Wachstums bald seinen Höhepunkt erreichen”, sagte Dorffmeister. Das geschätzte Wachstum werde bis 2027 auf 1,5 Prozent sinken. Im Durchschnitt von 2017 bis 2024 waren es 2,5 Prozent. Zwar besteht in sämtlichen Ländern großer Bedarf an Ausbau oder Modernisierung der Infrastruktur. “Doch zwingt die angespannte Finanzlage öffentlicher Kassen die Staaten zu allgemeinen Sparmaßnahmen.” Hinzu kämen Arbeitskräftemangel und gestiegene Baukosten.
(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)