– von François Murphy und Klaus Lauer –
Wien, 12. Feb (Reuters) – In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen zwischen der rechten FPÖ und der konservativen ÖVP gescheitert.
Er habe den Regierungsauftrag zurückgegeben, teilte FPÖ-Chef Herbert Kickl am Mittwoch nach einem Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien mit. Die Parteien hatten sich zuletzt vor allem über die Verteilung der Ministerien gestritten, weil beide Seiten jeweils das Innen- und Finanzministerium übernehmen wollten. FPÖ und ÖVP machten sich gegenseitig für das Scheitern verantwortlich.
“Ich setze diesen Schritt nicht ohne Bedauern”, erklärte Kickl in einem Brief an den Bundespräsidenten mit Blick auf die Rückgabe des Regierungsauftrages. Verhandlungen mit den Sozialdemokraten sehe er nicht als zielführend an. Vorgespräche mit SPÖ-Chef Andreas Babler hätten gezeigt, “dass nicht nur unsere Positionen in entscheidenden Punkten weit auseinanderliegen, sondern die SPÖ grundsätzlich eine ablehnende Position zu jedweder Zusammenarbeit mit der FPÖ einnimmt”.
KICKL NICHT GENUG “IN ROLLE VON REGIERUNGSCHEF GEWECHSELT”
ÖVP-Chef Christian Stocker sagte, die Verhandlungen seien letztlich an der Haltung Kickls gescheitert. Die FPÖ sei erster bei der Wahl geworden, “aber das rechtfertigt keinen Anspruch auf die gesamte Macht”. Grundvoraussetzung für eine Koalition sei immer gewesen, dass sich Österreich nicht zu einer Festung abschotte und ein verlässlicher Partner in der EU bleibe. Man habe aus dem In- und Ausland viele Warnungen erhalten, dass die Zusammenarbeit der Geheimdienste in Gefahr sei, wenn die FPÖ den Innenminister stelle, sagte der Chef der Volkspartei. “Es kommt für uns nicht in Frage, dass wir die Sicherheit des Landes in Regierungsverhandlungen aufs Spiel setzen.” Die ÖVP habe ihre Parteiinteressen zurückgestellt. “Leider ist Herbert Kickl aus der Rolle des Oppositionspolitikers nicht ausreichend in die Rolle eines Regierungschefs gewechselt”, sagte Stocker. Der FPÖ-Chef habe die Chance nicht genutzt, Kanzler zu werden. Die ÖVP hingegen sei weiter bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Die FPÖ war aus den Parlamentswahlen im September als stärkste Kraft hervorgegangen. Allerdings wollte zunächst niemand mit ihr koalieren, so dass die zweitplatzierte ÖVP den Auftrag zur Bildung einer Regierung bekam. Nach geplatzten Koalitionsverhandlungen der Konservativen mit der SPÖ und den liberalen Neos hatte Van der Bellen dann doch den FPÖ-Chef beauftragt, in Koalitionsverhandlungen mit den Konservativen eine Regierungsbildung zu versuchen. Dies scheiterte nun. Damit wird Kickl nun doch nicht der erste rechte Kanzler Österreichs seit dem Kriegsende.
Inzwischen sind die Sozialdemokraten und Liberalen wieder bereit, neu mit der ÖVP über die Bildung einer Regierung zu verhandeln. Die FPÖ sprach sich allerdings bereits für rasche Neuwahlen aus. Dann dürften die Rechtspopulisten laut Umfragen ihren Vorsprung gegenüber den anderen Parteien ausbauen.
SPÖ-Chef Babler erklärte, zum einen sei die SPÖ bereit, zusammen mit den anderen drei demokratischen Parteien – “außerhalb der FPÖ” – das weitere Vorgehen zu erörtern und Lösungen zu finden. Zudem habe er Staatsoberhaupt Van der Bellen mitgeteilt, “dass wir bereit sind, eine Regierung von anerkannten Persönlichkeiten zu stützen”.
Grünen-Chef Werner Kogler erklärte auf der Plattform X, das Scheitern des blau-schwarzen Regierungsprojekts sei eine Chance für Österreich. “Jetzt gibt es erneut die Möglichkeit, eine Regierung ohne Rechtsextreme zu bilden.”
Bundespräsident Van der Bellen wollte sich noch am Abend um 18.30 Uhr zur Lage äußern.
STREIT UM INNEN- UND FINANZMINISTERIUM
Die Gespräche zwischen FPÖ und ÖVP waren mehrfach ins Stocken geraten. Es wurden auch interne Papiere durchgestochen, und beide Verhandlungsparteien äußerten sich mit zunehmend scharfer Rhetorik über die andere Seite – und zwar öffentlich über die Medien. Dies hatte es anfangs nicht gegeben.
Knackpunkt war, dass die FPÖ neben dem Kanzleramt auch auf das Finanz- und Innenministerium pochte. “Das ist kein Machtrausch, das ist mehr als fair, außer die ÖVP will eine Alleinregierung”, erklärten die Rechtspopulisten. Sie boten eine Ressortverteilung an, wonach die FPÖ sechs und die ÖVP sieben Ministerien bekommen hätte. Die Konservativen waren aber auch am Finanz- und Innenministerium interessiert. Einen Kompromissvorschlag der ÖVP lehnte die FPÖ ab.
Parteichef Kickl kritisierte, dass die ÖVP vor strittigen inhaltlichen Fragen zunächst die Ressortverteilung klären wolle. “Das ist die Wahrheit”, sagte er in einer Videobotschaft. “Wer etwas anderes behauptet, der versucht, die österreichische Bevölkerung hinters Licht zu führen.”
Anfangs hatten sich beide Parteien zügig auf ein Sparpaket über rund 6,4 Milliarden Euro geeinigt, um den Haushalt zu konsolidieren und ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich abzuwenden. Verhandlungen über das Verhältnis zur EU, zu Russland, über die Außenpolitik sowie Fragen rund um die Migration galten ohnehin als schwieriger. Die FPÖ gilt als EU-skeptisch und russlandfreundlich.
(Bericht von François Murphy in Wien und Klaus Lauer in Berlin, redigiert von Sabine Ehrhardt)