Stuttgart/Berlin (Reuters) – Zum Prozessauftakt im Fall des in Mannheim getöteten Polizisten wirft die Anklage einem 26-jährigen Afghanen Heimtücke vor.
Der Angeklagte habe den Beamten im vergangenen Mai erstochen, es handele sich um einen heimtückischen Mord, sagte Oberstaatsanwältin Verena Bauer am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Der 26-Jährige habe sich im Internet radikalisiert. Eine Mitgliedschaft in der Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Daher beschränkt sich die Anklage auf den Mordvorwurf sowie versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung an fünf weiteren Menschen. Die Verteidiger des Angeklagten machten keine Angaben zur Sache, forderten aber ein faires Verfahren und ihren Mandanten als “Menschen darzustellen”.
Der Angeklagte soll bei einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz mit einem Messer fünf Menschen verletzt haben. Als der Polizist einschritt, wurde er den Ermittlungen zufolge vom Angreifer schwer am Kopf verletzt. Der Beamte erlag zwei Tage später seinen Verletzungen. Der Täter konnte erst durch einen Schusswaffeneinsatz der Polizei gestoppt werden.
Die Tat löste eine bundesweite Debatte über den Umgang mit islamistischen Gefährdern aus. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte eine härtere Gangart an. Als Reaktion verschärfte die Bundesregierung ihre Migrationspolitik: Ein neues Gesetz erleichtert die Ausweisung von Ausländern bei Hasskriminalität. Erstmals seit Jahren gab es auch wieder einen Abschiebungsflug nach Afghanistan.
Die Tat trug dazu bei, die Migrationsdebatte im Bundestagswahlkampf zu verschärfen. Denn Deutschland erlebte in den vergangenen Monaten weitere Gewalttaten mit Bezügen zur Migration: Auch die Messerangriffe in Solingen und Aschaffenburg sowie der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt erschütterten das Land. Für das Verfahren in Stuttgart sind bislang mehr als 50 Verhandlungstage bis Ende Oktober terminiert. Ein Termin für die Urteilsverkündung steht noch nicht fest.
(Bericht von Leon Kügeler und Tilman Blasshofer, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)