USA und Europa driften in Ukraine-Krieg auseinander

(Weitgehend neu)

– von Andrew Gray und Alexander Ratz

Brüssel/Berlin (Reuters) – Die USA und Europa gehen bei der Suche nach einem Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zunehmend getrennte Wege.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius nannte es am Donnerstag “bedauerlich”, dass die neue US-Regierung bereits vor der Aufnahme jeglicher Gespräche öffentlich Zugeständnisse an Russlands Präsident Wladimir Putin gemacht habe. Zugleich betonte Pistorius vor Beginn eines Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel, Europa müsse in mögliche Friedensgespräche eingebunden sein. Die Frage einer internationalen Friedenstruppe für die Ukraine zur Überwachung einer Waffenruhe stelle sich derzeit aber noch nicht.

US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch in einem Telefonat mit Putin vereinbart, umgehend Gespräche beider Länder zur Beendigung des Krieges aufzunehmen. Dabei sollen weder die Ukraine noch die Europäer zunächst eine Rolle spielen. Zudem hatte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth am Mittwoch bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel gesagt, die Ukraine müsse sich darauf einstellen, für einen Frieden Gebiete an Russland abzutreten. Eine Nato-Mitgliedschaft des Landes als Teil eines Friedensabkommens komme für die USA nicht infrage. Am Donnerstag sagte Hegseth in Brüssel zudem, es sei eine wichtige Verantwortung Europas, sich der russischen Kriegsmaschinerie entgegenzustellen.

“Die Trump-Administration hat gegenüber Putin schon jetzt, vor Beginn der Verhandlungen, öffentlich Zugeständnisse gemacht”, kritisierte Pistorius den US-Kurs und verwies auf die Punkte Gebietsabtretungen und Nato-Mitgliedschaft. Darüber hätte man besser erst am Verhandlungstisch gesprochen anstatt es “vorher vom Tisch zu nehmen”. Zugleich mahnte Pistorius, Europa müsse in die Verhandlungen eingebunden werden, zumal eine Friedenssicherung nach Ansicht der USA dann vor allem eine europäische Aufgabe sein werde. “Dass wir nicht am Katzentisch sitzen können, dürfte allen einleuchten”, sagte Pistorius.

SCHOLZ MAHNT: KEIN “DIKTATFRIEDEN”

Es müsse aber auch klar sein, dass eine Präsenz der USA in Europa erforderlich sei, um eine wirksame Abschreckung Russlands zu gewährleisten, mahnte Pistorius. Zu einem möglichen Einsatz von Truppen zur Absicherung eines Friedens in der Ukraine sagte er, diese Debatte komme ihm jetzt zu früh. “Es gibt verschiedene Arten, den Frieden zu sichern.” Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hält eine Diskussion über eine Ukraine-Friedenstruppe unter Beteiligung der Bundeswehr für verfrüht. “Jeder weiß, dass das kein Thema jetzt ist”, sagte Scholz im “Berlin Playbook Podcast” des Nachrichtenmagazins Politico. Es sei “noch nicht mal klar, unter welchen Bedingungen die Ukraine bereit wäre, einem Friedensschluss zuzustimmen”. Es dürfe jedenfalls keinen “Diktatfrieden” geben, mahnte der Kanzler.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte zum Auftakt der Beratungen in Brüssel, die Ukraine müsse in alle Gespräche zur Beendigung des russischen Angriffskriegs einbezogen werden. Zudem müsse eine Vereinbarung für einen Frieden dauerhaft sein. “Es ist entscheidend, dass das Ergebnis dieser Gespräche nachhaltig und dauerhaft ist”, sagte Rutte. Zudem sei es wichtig, “dass die Ukraine eng in alles eingebunden wird, was die Ukraine betrifft”.

BLATT: CHINA WILL TRUMP-PUTIN-GIPFEL ORGANISIEREN

Auch die Außenministerinnen und Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Polens, Italiens, Spaniens, Großbritanniens sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas schalteten sich in die Diskussion ein. In einer gemeinsamen Erklärung vom Mittwochabend heiß es, Europa müsse an möglichen Friedensgesprächen beteiligt sein. Mit den USA müsse das weitere Vorgehen erörtert werden. “Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, die Ukraine in eine Position der Stärke zu bringen. Die Ukraine und Europa müssen an den Verhandlungen beteiligt sein”, hieß es in der Erklärung weiter. Die Sicherheit Europas liege “in unserer gemeinsamen Verantwortung”.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk: “Es darf keine Gespräche über die Köpfe der Ukraine hinweg geben. Es geht um den europäischen Frieden. Deswegen müssen wir Europäer daran beteiligt werden.” Mit Spannung erwartet wird in diesem Zusammenhang jetzt die Münchner Sicherheitskonferenz von diesem Freitag bis Sonntag. Erwartet werden dazu unter anderem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Vize-Präsident J.D. Vance sowie Bundeskanzler Scholz. Vertreter der russischen Regierung sind nicht geladen.

Nach einem Bericht des “Wall Street Journal” hat China angeboten, ein Gipfeltreffen zwischen Putin und Trump zu organisieren. Offiziell gab es dazu keine Stellungnahme aus Peking. “China freut sich, wenn Russland und die USA ihre Kommunikation zu einer Reihe internationaler Themen verstärken”, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Guo Jiakun, lediglich. Trump selbst sagte, sein erstes Treffen mit Putin werde “wahrscheinlich” bald in Saudi-Arabien stattfinden. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird auch der chinesische Außenminister Wang Yi erwartet.

(Mitarbeit: John Irish, Lili Bayer, Bart Meijer,; Redigiert von; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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