Flaute bremst Fachkräftemangel etwas – Künftig wieder mehr Probleme

Berlin (Reuters) – Unternehmen in Deutschland spüren aufgrund der schwachen Wirtschaft den Fachkräftemangel derzeit etwas weniger.

Rund 28,3 Prozent der Firmen bekommen zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte, nach 31,9 Prozent im Oktober, wie am Montag aus einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts hervorgeht. “Die schwache Konjunktur dämpft aktuell die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften, damit wird der Fachkräftemangel etwas weniger stark empfunden”, sagte Ifo-Forscher Klaus Wohlrabe, warnte aber zugleich: “Der demografische Wandel bleibt eine große Herausforderung, langfristig wird der Mangel an Fachkräften wieder zunehmen.”

Dem Fachkräftemangel ist nach Ansicht von Mittelständlern vor allem durch ein besseres Bildungssystem (96 Prozent) entgegenzuwirken, wie eine Umfrage des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) unter 613 Firmen zeigt. Auf Platz zwei folgt die gezielte Anwerbung von ausländischen Fachkräften (66 Prozent), wobei dies deutlich häufiger von größeren als von kleineren Unternehmen genannt wurde. Als weniger relevant sehen die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer eine verlängerte oder flexiblere Lebensarbeitszeit (40 Prozent).

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) legte ein 8-Punkte-Programm für mehr Fachkräfte vor. Ziel sei es, allen Menschen gute Chancen auf eine Ausbildung zu bieten, Fachkräftepotenziale besser zu erschließen und den Übergang von Schule zu Beruf zu verbessern. Fast 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren hätten keinen Berufsabschluss. “Insgesamt sind es in Deutschland mindestens 4,5 Millionen Beschäftigte – Tendenz steigend.” Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack rief die kommende Bundesregierung auf, “mehr Einsatz für Aus- und Weiterbildung zu zeigen und dringend ein umfassendes Aktionsprogramm für Menschen ohne Berufsabschluss aufzulegen”. Die DGB-Vorschläge sehen etwa vor, die Ausbildungsgarantie auszuweiten und das Nachholen von Berufsabschlüssen stärker zu fördern. Zudem soll die Anerkennung ausländischer Qualifikationen verbessert werden.

IMK-BAROMETER: KONJUNKTURAMPEL BLEIBT AUF GELB-ROT

In einigen Bereichen bleibt der Fachkräftemangel laut Ifo-Umfrage ausgeprägt, etwa bei den Dienstleistern: 35,1 Prozent haben hier Probleme bei der Suche nach gutem Personal. In der Rechts- und Steuerberatung sowie in der Wirtschaftsprüfung können sogar rund 75 Prozent der Firmen nicht genügend Personal finden. Auch Personal- und Leiharbeitsfirmen sind betroffen: 62 Prozent verzeichnen ein fehlendes Angebot von Fachleuten. Im Beherbergungsgewerbe sind es etwa 42 Prozent. 

In der Industrie finden trotz zurückhaltender und teilweise restriktiver Personalplanung immer noch rund 18 Prozent der Unternehmen nicht ausreichend Fachkräfte, erklärte das Ifo. Besonders angespannt sei die Lage in der Nahrungsmittelindustrie (27 Prozent), im Maschinenbau (23 Prozent) und bei den Möbelherstellern (23 Prozent). Auch im Handel und im Bauhauptgewerbe bleibt der Fachkräftemangel spürbar: Etwas mehr als ein Fünftel der Unternehmen meldet dort Schwierigkeiten bei der Besetzung qualifizierter Stellen.

Die deutsche Wirtschaft ist 2023 und 2024 geschrumpft. Ökonomen erwarten für dieses Jahr allenfalls ein leichtes Wachstum. “Das Risiko, dass die Wirtschaft in nächster Zeit in eine Rezession gerät, ist in den vergangenen Wochen spürbar gesunken, die ökonomische Unsicherheit bleibt aber angesichts neuer US-Zölle und vor der Bundestagswahl hoch.” Das signalisiert der Konjunkturindikator des IMK-Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Für Februar bis Ende April 2025 weist das Barometer eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 32,6 Prozent aus, Anfang Januar betrug sie für die folgenden drei Monate noch 44,6 Prozent. Dennoch bleibt der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator damit wie zuletzt “gelb-rot”.

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Christian RüttgerBei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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