Berlin (Reuters) – Im ersten sogenannten TV-Quadrell eines Bundestagswahlkampfes haben sich die Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU) und Robert Habeck (Grüne) deutlich von ihrer Konkurrentin Alice Weidel (AfD) abgegrenzt.
Er werde auf keinen Fall eine Koalition mit der AfD eingehen, sagte CDU-Chef Merz am Sonntagabend in der Viererrunde der Sender RTL/ntv. AfD-Co-Chefin Weidel hielt Merz entgegen, dass dieser die Reformvorstellungen der Unionsparteien etwa zur Migration weder mit SPD oder Grünen als Koalitionspartner umsetzen könnte.
In den 90 Minuten zeigten sich vor allem in der Ukraine-Politik deutliche Differenzen zwischen den drei Parteien der Mitte einerseits und der AfD andererseits: Habeck warf der AfD zu große Moskau-Nähe vor. Weidel sagte, dass ihre Partei “gute Kontakte nach Ost und West” habe. Auf ihre Kritik, dass Deutschland aus russischer Sicht nicht mehr neutral sei, weil es Waffen an die Ukraine liefern, entgegnete Merz: “Wir sind nicht neutral. Wir sind auf der Seite der Ukraine, wir verteidigen die politische Ordnung, die wir haben.” Bundeskanzler Scholz betonte, dass man es auch bei amerikanisch-russischen Absprachen nicht zulassen werde, dass die Ukraine gegen ihren Willen demilitarisiert werde. Im Gegenteil müsse man eine starke Armee des Landes auch in der Zukunft unterstützen.
Während Weidel die Bundestagswahl als Abstimmung über “Krieg und Frieden” bezeichnete, betonte Scholz, dass es vor allem darum gehe, wie ehrlich man in der Finanzpolitik sei. Es brauche eine Reform der Schuldenbremse, um wegen der russischen Bedrohung nicht nur die Bundeswehr besser auszustatten, sondern auch um die ukrainische Armee in der Zukunft mitzufinanzieren. Die Union, die AfD und die FDP lehnen eine Reform der Schuldenbremse bisher ab.
In der Migrationspolitik warfen vor allem AfD und Union den Regierungsparteien SPD und Grünen vor, sie hätten zu wenig getan. Merz forderte Abschiebeflüge nach Afghanistan, die Wirtschaftsminister Habeck mit dem Hinweis zurückwies, dass es sich um ein Terrorregime handele, das nicht aufgewertet werden dürfe. Der Grünen-Politiker betonte, dass der von der Union kritisierte Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus eher der Integration diene und das Thema Integration in der Migrationsdebatte vernachlässigt werde. Weidel forderte dagegen viel radikalere Maßnahmen mit einem ständigen Schutz der deutschen Grenzen. Sie warf der Union vor, ihre Konzepte zu kopieren.
In einer teilweise giftigen Auseinandersetzung warfen Scholz, Habeck und Merz der AfD-Chefin vor, mit ihren Konzepten Deutschland zu schaden. Der Kanzler und der CDU-Chef warfen ihr zudem eine mangelnde Abgrenzung von besonders umstrittenen Parteimitgliedern wie dem thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke vor.
In der Steuerpolitik kritisierten Scholz und Habeck die Union, die AfD und die FDP, sie würden vor allem Besserverdienende entlasten wollen und hätten keine Gegenfinanzierung für ihre teuren Wahlversprechen. Merz warf umgekehrt SPD und Grünen vor, dass sie mit ihrer Wirtschafts- und Steuerpolitik mit dafür gesorgt hätten, dass sich Deutschland in einer Rezession befinde. Weidel plädierte vor allem dafür, die Energiekosten durch die komplette Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und die CO2-Abgabe zu senken.
In der Rentenpolitik versprach Scholz die Verlängerung des Rentenniveaus und das Festhalten an dem gesetzlichen Rentenalter von 67 Jahren. Habeck und Merz plädierten für eine aktiengestützte Kapitalrente als weiteres Element. Weidel sagte, dass die AfD Steuerfreiheit für die Renten und die Einbeziehung von Beamten und Politikern in die Rentenversicherung wolle.
(Bericht von Andreas Rinke und Reinhard Becker, redigiert von Jörn Poltz.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)