Wien/Berlin (Reuters) – In Österreich verdichten sich die Signale, dass die konservative ÖVP und die sozialdemokratische SPÖ im zweiten Anlauf nun doch koalieren wollen.
Seit einiger Zeit verhandeln beide Seiten hinter verschlossenen Türen intensiv über die Bildung einer Regierung. Medienberichten zufolge stehen die beiden Parteien kurz vor einer Einigung, wie der Haushalt saniert werden solle, um ein Defizitverfahren der EU zu verhindern. Einige Medien berichteten sogar, dass man sich bereits verständigt habe. ÖVP und SPÖ äußerten sich am Donnerstag dazu konkret nicht, wollten dies weder bestätigen noch dementieren. Es gab zudem Spekulationen in Wien, dass ÖVP-Chef Christian Stocker und SPÖ-Chef Andreas Babler bald mit Bundespräsident Alexander van der Bellen über die Lage beraten könnten.
Unklar blieb zunächst, wie eine Zusammenarbeit mit den liberalen Neos oder Grünen aussehen könnte. Diese beiden kleineren Parteien hatten bereits signalisiert, dass sie bereit seien, eine Regierung ohne die rechte FPÖ zu unterstützen.
Nach der Parlamentswahl vom September waren erste Koalitionsgespräche zwischen ÖVP und SPÖ sowie mit den liberalen Neos noch im Januar gescheitert. Danach folgten Verhandlungen der rechten FPÖ mit der ÖVP, die aber ebenfalls platzten. Seit einiger Zeit liefen nun Gespräche zwischen den Konservativen und Sozialdemokraten hinter verschlossenen Türen. Bei einer Einigung dürfte ÖVP-Chef Stocker wohl neuer Bundeskanzler werden und SPÖ-Chef Babler Vizekanzler.
Bundespräsident Van der Bellen hatte jüngst erklärt, es gebe vier Optionen, wie es weiter gehen könne. Er sprach von Neuwahlen frühestens in einigen Monaten, einer Minderheitsregierung, einer Expertenregierung oder eben doch einer Koalition der im Parlament vertretenen Parteien. Je näher ÖVP und SPÖ einer Einigung kommen, desto wahrscheinlicher gilt es, dass Van der Bellen eine schwarz-rote Koalition als die bevorzugte Variante sieht.
Die rechtspopulistische FPÖ mit ihrem Chef Herbert Kickl hatte bei der Wahl mit knapp 29 Prozent die meisten Stimmen geholt, vor der ÖVP mit 26,3 Prozent und der SPÖ mit gut 21 Prozent. Auf die Neos entfielen 9,1 Prozent und auf die Grünen 8,2 Prozent. Die ÖVP und die SPÖ kämen zusammen nur auf eine Stimme Mehrheit im Nationalrat.
(Bericht von Francois Murphy und Klaus Lauer; redigiert von Kerstin Dörr – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)