Jerusalem (Reuters) – Die Hamas hat israelischen Untersuchungen zufolge nicht wie vereinbart die sterblichen Überreste der Geisel Schiri Bibas übergeben, sondern die einer unbekannten Frau.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation daraufhin mit Vergeltung, blieb aber vage. Das israelische Militär teilte am Freitag mit, die beiden Jungen Kfir und Ariel Bibas seien identifiziert worden, nicht aber ihre Mutter Schiri Bibas. Die Identität dieser Toten sei unklar. Bei den sterblichen Überresten der vierten Person handele es sich – wie von der Hamas angekündigt – um die der Geisel Oded Lifschitz, der Mann sei offiziell identifiziert worden, erklärte seine Familie. Die Hamas äußerte sich zunächst nicht. Ob sich der Vorfall auf die für Samstag geplante Freilassung von sechs lebenden Geiseln und den in den nächsten Tagen erwarteten Beginn der Verhandlungen über die zweite Phase der Waffenruhe auswirkt, ist unklar.
“Wir werden entschlossen handeln, um Schiri zusammen mit all unseren Geiseln – den lebenden und den toten – nach Hause zu bringen und sicherzustellen, dass die Hamas den vollen Preis für diesen grausamen und bösartigen Verstoß gegen das Abkommen zahlt”, sagte Netanjahu in einer Videobotschaft. Er warf der Hamas vor, “auf unsagbar zynische Weise” gehandelt zu haben, indem sie die Leiche einer Frau aus Gaza in den Sarg gelegt habe und nicht die von Schiri Bibas. Sie war zusammen mit ihren beiden Söhnen und ihrem Ehemann Jarden bei dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 entführt worden. Kfir wurde neun Monate alt, Ariel vier Jahre. Jarden Bibas war in diesem Monat freigelassen worden.
MILITÄR: HAMAS VERLETZT WAFFENRUHE
Das israelische Militär warf der Hamas vor, die bereits ins Wanken geratene Waffenruhe zu verletzen. “Dies ist ein äußerst schwerwiegender Verstoß durch die Terrororganisation Hamas, die gemäß der Vereinbarung verpflichtet ist, vier tote Geiseln zu übergeben”, erklärte das Militär und forderte die Übergabe von Schiri Bibas und allen Geiseln.
Der Säugling Kfir wurde mit seinem Bruder, seiner Mutter und seinem Vater Jarden im Kibbuz Nir Os entführt. Im November 2023 teilte die Hamas mit, die Jungen und ihre Mutter seien bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Die israelischen Behörden wollten den Tod erst nach einer vollständigen DNA-Untersuchung bestätigen, bei der sich nun herausstellte, dass die übergebene Frauenleiche nicht Schiri Bibas ist. Auch Lifschitz war aus dem Kibbuz verschleppt worden, den er einst mitgegründet hatte.
Es war die erste Übergabe von toten Geiseln seit Beginn der Waffenruhe am 19. Januar. Auf sie soll am Samstag die Freilassung von sechs lebenden Geiseln folgen. Im Gegenzug sollen erneut Hunderte palästinensische Gefangene – vermutlich Frauen und Minderjährige – aus israelischer Haft freikommen. Sie waren während des Krieges von den israelischen Streitkräften im Gazastreifen gefangengenommen worden. Ob es nun zu der Freilassung kommt oder ob sie verschoben wird, war zunächst unklar.
Im Rahmen der ersten Phase des Waffenruhe-Abkommens erklärte sich die Hamas bereit, 33 Geiseln im Austausch gegen fast 2000 palästinensische Gefangene und Häftlinge freizulassen. Bisher wurden 19 israelische Geiseln übergeben, zudem wurden fünf thailändische Verschleppte im Rahmen einer außerplanmäßigen Übergabe zurückgebracht.
(Bericht von: James Mackenzie, Lara Afghani; geschrieben von Sabine Ehrhardt, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)